Weiter weg
von einundzwanzig auf achtzehn Jahre habe es nur noch schlimmer gemacht. «Und jetzt, wo sie die Frühjahrssaison verkürzt haben», sagte er, «können gesetzestreue Leute nicht mehr auf die Jagd gehen. Aber die anderen, die wahllos herumballern, jagen eben doch, denn es gibt nicht genug Polizisten. Ich bin in diesem Frühjahr drei Wochen auf dem Land gewesen und habe nicht einen einzigen Polizeiwagen gesehen.»
Das Frühjahr sei in Malta immer die Hauptjagdzeit gewesen, und der Jäger sagte, wenn es die nicht mehr gebe, dann werde er wahrscheinlich im Herbst jagen, solange seine Hunde noch lebten, doch dann wolle er aufhören und Vögel nur noch beobachten. «Und es passiert noch etwas anderes», sagte er. «Wo sind die Turteltauben? Als ich jung war und mit meinem Vater hinausging, sahen wir zum Himmel, und da waren Tausende. Wir haben jetzt den Höhepunkt der Saison; gestern war ich den ganzen Tag draußen und habe zwölf Turteltauben gesehen. Seit zwei Jahren habe ich keinen Ziegenmelker mehr gesehen, seit fünf Jahren keinen Steinrötel. Im vergangenen Herbst bin ich jeden Morgen und Nachmittag mit den Hunden rausgegangen und wollte Waldschnepfen schießen. Ich habe drei gesehen und auf keine einzige geschossen. Und das ist ebenfalls ein Teil des Problems: Die Leute sind frustriert. ‹Wenn ich keine Waldschnepfe erwische, dann schieße ich eben einen Turmfalken.›»
An einem späten Sonntagnachmittag standen Temuge und ich im Schutz einiger Büsche auf einer Anhöhe und beobachteten durch ein Teleskop zwei Männer, die den Himmel und die Umgebung mit Ferngläsern absuchten. «Das sind eindeutig Jäger», sagte Temuge. «Sie haben die Gewehre versteckt und holen sie erst hervor, wenn sie was sehen, das sie schießen können.» Doch eine Stunde verging, und kein Vogel ließ sich blicken. Die Männer nahmen ihre Harken und begannen, einen Gemüsegarten zu bearbeiten. Nur hin und wieder sahen sie durch ihre Ferngläser. Es verging eine weitere Stunde, und sie arbeiteten konzentrierter, denn es gab keine Vögel.
Für Zugvögel ist Italien ein einziger langer Spießrutenlauf. In der norditalienischen Region Brescia fangen Wilderer jährlich eine Million Singvögel für Restaurants, auf deren Speisekarte Pulenta e osei steht, Polenta mit kleinen Vögeln. In den Wäldern Sardiniens wimmelt es von Drahtschlingen, auf den Marschen des Veneto werden überwinternde Enten abgeschlachtet, und in Umbrien, der Heimat des heiligen Franziskus, gibt es mehr registrierte Jäger im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung als irgendwo sonst. In der Toskana schießen Jäger ihre jährliche Quote an Waldschnepfen, Ringeltauben und vier weiteren jagdbaren Singvogelarten, darunter auch Singdrossel und Feldlerche; doch im morgendlichen Dunst ist es schwer, jagdbare Arten von geschützten zu unterscheiden, und wen kümmert es schon? Im Süden, in der weitgehend von der Camorra beherrschten Campania, liegt der einladendste Rastplatz für durchziehende Schwimm- und Stelzvögel auf Feldern, die von der Camorra geflutet und für bis zu tausend Euro pro Tag an Jäger verpachtet werden; Großhändler aus Brescia fahren mit Kühllastern in den Süden, um die Beute von kleinen Wilderern einzusammeln; weite Teile der Campania sind vollgestellt mit Fallen für fünf besonders schön singende Finkenarten, und auf den illegalen Vogelmärkten bezahlen wohlhabende Camorristi viel Geld für gute Sänger. Weiter südlich, in Kalabrien und Sizilien, ist die Frühjahrsjagd auf durchziehende Wespenbussarde, über die viel berichtet wurde, infolge der energischer auftretenden Polizei und der Überwachung durch Freiwillige stark zurückgegangen, doch vor allem in Kalabrien gibt es zahlreiche Wilderer, die, wenn sie sich sicher fühlen, auf alles schießen, was fliegt.
Ein eigenartiges altes Gesetz, erlassen von den Faschisten, die so den Umgang mit Feuerwaffen erleichtern wollten, billigt italienischen Jägern – und nur ihnen – das Recht zu, bei der Verfolgung des Wildes fremde Grundstücke zu betreten, ganz gleich, wem sie gehören. In den 1980er Jahren machten mehr als zwei Millionen registrierte Jäger die ländlichen Regionen Italiens unsicher, deren Bevölkerung durch Abwanderung in die Städte zunehmend ausgedünnt war. Die meisten Stadtbewohner lehnen die Jagd jedoch ab, und so kam es, dass das italienische Parlament 1992 eines der restriktivsten Jagdgesetze Europas verabschiedete, laut dem – ein äußerst radikaler Einschnitt – sämtliche
Weitere Kostenlose Bücher