Weites Land der Sehnsucht: Australien-Roman (German Edition)
billigen Plastikrahmen. Aufnahmen, auf denen wahrscheinlich Kinder und Enkelkinder der Frau zu sehen waren, standen zwischen Fotos von Männern in uniformähnlichen Jacken und Kilts.
» Es war wirklich sehr lecker.« Sarah hob die Schüssel, als ihre Gastgeberin wieder das Zimmer betrat. » Aber ich kann nicht mehr.«
Die ältere Frau runzelte die Stirn. » Es ist im Preis inbegriffen, Mädchen.«
» Wirklich?« Sarah keuchte, als sie den Teller mit Eiern, Speck und Würstchen, der vor ihr stand, betrachtete.
Ihre Wirtin brachte eine Kanne Tee und vier große Scheiben Toast. Sarah rang nach Luft angesichts der riesigen Mengen und gab Pfeffer über diese ernährungswissenschaftliche Katastrophe.
» Wenn Sie noch etwas brauchen, sagen Sie Bescheid.«
» Ja, das mache ich, danke, aber ich habe alles.«
Sarah machte sich über den verbrannten Speck und die zu weichen Würstchen her. Sie schenkte sich eine Tasse Tee ein.
» Brauchen Sie noch etwas?«, rief Mrs Jamieson aus der Küche.
» Nein, nein danke«, erwiderte Sarah.
Die Frau begann, den Holzrahmen um die Küchentür zu schrubben. » Haferbrei kann man auf unterschiedliche Weise machen, Mädchen. Man gibt kochendes Wasser über eine Handvoll Hafermehl und würzt mit einer Prise Salz. Man kann aber auch Butter, Gemüse oder Rindermark nehmen.«
Sarah aß einen Bissen. » Nennen Sie mich Sarah, Mrs Jamieson.«
» Ja, gerne.« Die Frau fuhr fort: » Am liebsten mag ich aber die kalte Variante. Manche schwören ja auf Buttermilch oder Sahne, aber ich mache es immer mit Whisky. Einfach darüber geben. Und, Sie sind also eine Gordon?«
» Ja.«
» Wann sind Ihre Vorfahren denn emigriert?«
» Mitte des neunzehnten Jahrhunderts.«
» Hmm.« Das klang ein wenig missbilligend. » Sind Sie mit dem Gordon-Clan verwandt?«
Sarah zuckte mit den Schultern. » Na ja, wir haben den gleichen Nachnamen, deshalb bin ich davon ausgegangen…«
» Na, dann haben Sie sich sicher in Edinburgh schon ihr Familienkaro gekauft.«
» Ja, das stimmt.« Mit Sarkasmus hatte Sarah in einer Pension nicht gerechnet. Sie legte das Besteck ab. » Mein Urgroßvater Hamish Gordon hat fast alles, was er besaß, verloren, als er um 1850 einen Fluss mit Hochwasser in New South Wales überquert hat. Mein Großvater hat mir ein Bild von den Farben der Gordons gezeigt. Und dann habe ich mir hier einen Wollschal gekauft.«
Die Frau hörte auf zu putzen. » Er ist also emigriert? Ihr Urgroßvater Hamish?«
Sarah nickte und aß weiter. Diese Information schien ihr wenigstens ein bisschen Respekt zu verschaffen.
Mrs Jamieson kniff die Augen zusammen und musterte sie eingehend. Kurz machte sie den Eindruck, als ob sie Sarah kennen würde, aber dann putzte sie weiter. » Wissen Sie, Mädchen, nur weil sie denselben Nachnamen haben, bedeutet das noch lange nicht, dass Sie auch zum Clan gehören.« Sie steckte den nassen Putzlappen in die Tasche ihrer geblümten Schürze. » Wollen Sie denn hier oben Verwandte besuchen?«
» Nein.«
» Oder nach Ihren Vorfahren suchen?«
» Nein. Ich bin einfach nur daran interessiert, mir anzuschauen, wo meine Familie herkommt.«
» Nun, dann bleiben Sie wahrscheinlich sowieso nicht lange. Sie können hier auf Mike O’Reily warten. Abendessen ist um sieben.« Sie verschwand in der Küche und schloss die Tür hinter sich.
So viel also zur schottischen Gastfreundschaft. Schniefend schob Sarah ihr halb aufgegessenes Frühstück beiseite. Hoffentlich war dieser O’Reily der Wirt. Seufzend erhob sie sich vorsichtig. Draußen fuhr ein Auto vor.
» Wie geht es Ihnen?« Ein kleiner drahtiger Mann in dunkler Hose mit Hosenträgern kam ins Speisezimmer.
» Viel besser, danke. Und Sie sind?«, fragte Sarah ein bisschen erschreckt, als noch drei weitere Männer das Zimmer betraten.
» Der Arzt. Sie sind Sarah, nicht wahr?«
» Ja. Sarah Gordon.« Als sie ihren Nachnamen nannte, wechselten der Arzt und der freundlich aussehende Mann, der neben ihm stand, einen Blick.
» Nun, ich untersuche Sie jetzt, Sarah Gordon«, verkündete der Arzt.
Sarah hob abwehrend die Hände. » Wenn es Ihnen nichts ausmacht, Doktor, hätte ich dabei lieber kein Publikum. Außerdem geht es mir wieder gut.«
» Nun, mit so einem Namen und so einem Temperament muss sie Schottin sein.«
Sarah drehte sich langsam um. Die Stimme klang vertraut. » Kenne ich Sie?«, fragte sie.
Durchdringende dunkelblaue Augen blickten sie an. » Ich heiße Jim.« Er lächelte.
Es waren dieselben
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