Weites Land der Sehnsucht: Australien-Roman (German Edition)
als ich.«
» Ach, du weißt genau, was ich meine«, antwortete Sarah. Sie schaute auf ihre Kamera. Sie hatte fünfzehn Fotos gemacht.«
» Um Wangallon kümmere ich mich dann«, warf Anthony ein.
Cameron runzelte die Stirn. » Hübscher Schal«, sagte er dann zu seiner Schwester.
Sofort spürte Sarah, wie sie rot wurde. » Ich wollte keinen Sonnenbrand am Hals kriegen.«
Cameron stieg auf sein Pferd und trabte davon. Sarah hielt den Atem an, als Anthony auf seinem Pferd so dicht an sie heran ritt, dass sich ihre Beine berührten. » Er steht dir gut«, sagte er langsam.
» Danke.« Sein Bein drückte sich warm gegen ihres.
» Bitte.« Er beugte sich im Sattel vor und berührte den Seidenstoff des Schals mit den Fingern. Sarah spürte, wie sie über die Haut an ihrem Nacken glitten.
Schließlich sagte Anthony. » Ich schulde deinem Bruder noch ein Rennen.« Er grinste, und Lachfältchen kräuselten sich an seinen Augenwinkeln. » Du musst mir unbedingt Abzüge von diesen Fotos machen, vor allem von denen, wo Cameron von den Schweinen gejagt wird.« Jedes andere Mädchen wäre beim Anblick der Wildschweine weggelaufen, dachte er, als er hinter Cameron hergaloppierte. Oder zumindest vom Pferd gefallen, als sie stiegen, aber nicht Sarah. Sie machte Fotos von den Wildschweinen und fand das Ganze genauso aufregend wie sie. Anthony gab seinem Pferd die Sporen, um Cameron hinterherzujagen.
Erst in diesem Moment stieß Sarah ganz langsam die Luft aus.
Sommer, 1857
Die Goldfelder von Victoria
Sechs Tage in der Woche suchten sie nach Gold; sie gruben, sie siebten, sie bewegten die Erde. Am siebten Tag jedoch badeten sie und lasen die Bibel, und dann studierte Hamish, der Lesen übte, alles Gedruckte, dessen er habhaft werden konnte. Charlie hingegen war meistens so erschöpft, dass er den ganzen Tag über schlief. Sie fanden keine großen Goldvorkommen, aber immerhin hatten sie genug zu essen und konnten auch ein bisschen sparen. Hamish bewahrte den kleinen Stapel Geldscheine in seinen Stiefeln auf. Wie Hamish es schon vermutet hatte, besserte sich Charlies Gesundheitszustand nicht. Da er jedoch bereits ein Abreisedatum festgelegt hatte, achtete er darauf, dass sie die letzten Wochen auf den Feldern nicht vergeudeten. Er perfektionierte seine Gewohnheit, den Gesprächen anderer zu lauschen, und entwickelte darin eine solche Fertigkeit, dass alle ihn nur noch bei seinem Spitznamen, » Der Stumme«, nannten. Er beobachtete die Auseinandersetzungen in anderen Gruppen und lernte, bei seinen Leuten alles ruhig zu halten. Bevor Diebe bestraft wurden, fragte er sich, was sie dazu bewog, solche Taten zu begehen, und vor allem beobachtete er, wie fleißig die Chinesen arbeiteten und wie schlecht sie behandelt wurden.
Nachts, wenn die Sterne seine Fantasie beleuchteten, versuchte Hamish, dieses unbekannte Land zu ergründen, und staunte darüber, wie behütet er in dieser riesigen Weite lag. Zwar lebte er hier mit vielen anderen Verzweifelten und Abenteurern auf engstem Raum, aber hinter seinem Lagerfeuer begann unermesslich weites Land, das noch niemand jemals betreten hatte. Durch diese wilden, unvorstellbaren Weiten zogen dunkelhäutige Buschmänner. Man hatte ihm erzählt, dass sie Rebellen seien, die ihr Land vor den weißen Siedlern schützen wollten. Er erfuhr, dass in den frühen Siedlungstagen unzählige Schwarze getötet worden waren. Aus Rache wurden weiße Siedler ermordet. Und dann waren die Sträflinge gekommen; die, die weiter stahlen, die, die hier ein freies Leben führen durften; diejenigen, die den Busch roden mussten, und diejenigen, Männer wie Frauen, die in Ketten hier verrotteten.
Das also war sein neues Land, und Hamish empfing es wie ein Vater seinen Erstgeborenen, denn unter einer sauren Schale verbarg sich die süßeste Frucht– Vieh. Hamish interessierten nur Rinder und Schafe. Alles andere musste er zwar lernen, aber es diente nur dem Überleben an diesem wilden Ort, den er erreichen wollte. Die Geschichten von riesigen Herden, die im Inland weideten, faszinierten ihn. Die Treiber erzählten ihm von großen Viehherden, die zum Verkauf quer durch das Land getrieben wurden, und von den Merino-Schafen. Das war sein Gold, verborgen unter Erde und Schlamm, Urin und Mist, und es würde seine Rettung sein.
Es war ein alter Schacht, der vor etwa einem halben Jahr enttäuscht verlassen worden war. Aber Hamish hatte auf einmal das Gefühl, er würde sein Leben verändern. Er begann ihn zu reparieren,
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