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Weites Land der Sehnsucht: Australien-Roman (German Edition)

Weites Land der Sehnsucht: Australien-Roman (German Edition)

Titel: Weites Land der Sehnsucht: Australien-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole Alexander
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so gut er konnte. Die Stützbalken brauchten ihre Zeit, aber jetzt waren acht Meter der alten Mine abgesichert. Lampen erhellten den feuchten Tunnel. Am Ende dieses Tunnels lagen weitere anderthalb Meter Erde, und dann kam Felsen. Eine Woche hatte er daran gearbeitet.
    » Lass uns wieder an den Fluss gehen, Hamish«, flehte Charlie. Er war noch keine sechzehn Jahre alt, aber der tägliche Kampf seines Bruders um Gold ging über seine Kräfte. Die Krankheit zehrte so langsam an ihm, dass er erst merkte, wie schlecht es ihm ging, als es schon zu spät war. Jede Nacht schwitzte er und hatte Albträume, und an den Tagen schmerzten seine Gelenke unerträglich. Wenn er draußen am Fluss den Sand siebte, dann hatte er wenigstens Sonne und frische Luft. » Da ist doch so viel Goldstaub, dass wir genug zu essen haben.«
    Hamish arbeitete systematisch weiter mit seiner Hacke. Eines Tages wollte er Größeres erreichen, als immer nur daran zu denken, wie er seinen und den Bauch seines jüngeren Bruders füllen könnte. Links von ihm hallten die Geräusche von Charlies Schaufel unheimlich in der Dunkelheit.
    » Willst du uns denn beide umbringen?«, rief Charlie in die Dunkelheit.
    » Ich versuche doch nur, Geld zu verdienen, Junge.« Hamish hielt die Lampe dichter an den Felsen. Die Goldader, von der er geträumt hatte, war in dem flackernden Licht nicht zu erkennen. » Verdammt!« In der feuchten Höhle rumpelte es.
    » Soll ich zugeben, dass ich mich geirrt habe? Hast du darauf in den letzten drei Jahren gewartet?«, fragte Charlie.
    Hamish zog den Kopf ein und überlegte, was es bedeuten würde, wieder mit dem Sieb im kalten Wasser zu stehen. Die Älteren, die ihm geraten hatten, die Finger von der nutzlosen Mine zu lassen, würden mit hämischen Bemerkungen und Seitenhieben nicht zurückhalten. Erde bröckelte von der Decke in seinen Hemdkragen und rutschte mit den Schweißbächen auf seinem Rücken in seinen Hosenbund. Die Lampe flackerte und drohte auszugehen, wurde dann aber wieder hell.
    » Sag mir doch, Bruder«, fuhr Charlie fort. » Was hättest du getan?«
    Seufzend hob Hamish die Holzgriffe seiner Schubkarre an. Seit Monaten war es ihm gelungen, diesem Gespräch aus dem Weg zu gehen, und das wollte er auch weiterhin. Wenn die Wunde erneut geöffnet würde, würde das mit Sicherheit der Beziehung zu seinem Bruder schaden.
    Als Hamish mit einer Schubkarre voll Erde aus der Mine kam, atmete er tief die klare Luft ein. Er kippte die Erde auf einen Haufen in der Nähe und setzte sich einen Moment lang, um Licht und Luft zu genießen. Der Zeitpunkt ihrer Abreise rückte näher, und Hamish war froh darüber. Es war nicht nur der raue Winter und die unablässige Mühe für so geringen Ertrag; auch der Gesundheitszustand seines Bruders verlangte es. 1857 war schon halb vorbei, und der Zeitpunkt jetzt war so gut wie jeder andere. Er wollte es zwar nicht zugeben, aber der Gedanke daran, den Jungen in einer Kleinstadt zurückzulassen, gefiel ihm, und das nicht nur wegen Charlies Gesundheitszustand. Er würde ohne ihn viel schneller und ungehinderter vorwärtskommen.
    Das krachende Geräusch des einstürzenden Schachts rollte heran wie tosende Meeresbrandung.
    » Charlie!«, brüllte er und sprang auf. Staub und Schmutz quollen aus der Öffnung, als habe jemand einen Sack Mehl fallen gelassen. Sie drangen ihm in Nase, Ohren und Kehle, und ihm war, als schwanke der Boden unter seinen Füßen.
    Charlie lag auf einem Feldbett flach auf dem Rücken, und eine Öllampe warf ihr flackerndes Licht auf sein schmerzverzerrtes Gesicht. Draußen huschte ein Schatten am Zelt vorbei, und dann trat Lee ein, eine Schale mit Brühe in der Hand. Er räumte Hamishs unberührten Teller weg, während Hamish dem Jungen die Brühe in den Mund flößte und ihm über die Kehle rieb, damit er schluckte.
    » Ich wusste nicht, was ich tun sollte«, flüsterte Charlie. » Ich hatte das Gefühl, dir folgen zu müssen, Hamish. Wenn du nicht gewesen wärst, wäre ich in Schottland geblieben.«
    Hamish beugte sich über seinen Bruder und gab ihm noch einen Schluck Brühe. » Lee hat gesagt, sie lindert deine Schmerzen.« Er verschüttete die Flüssigkeit auf Charlies Gesicht. » Verdammt!« Rasch stellte er die Holzschale auf den Boden und wischte ihm grob das Gesicht ab.
    Charlies Blicke schossen unruhig durch den Raum. » Und wenn ich da geblieben wäre, hätte ich gar nichts vom Leben gesehen. Es tut mir leid, dass ich jetzt deine Schafe nicht mehr sehe,

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