Weites Land der Sehnsucht: Australien-Roman (German Edition)
ausgetrockneten Flussbett angekommen. Hamish hatte das liebliche Land einfach hinter sich gelassen.
» Ja, Besseres«, murmelte Dave und rutschte mit dem Hintern hin und her, um eine bequemere Position zu finden. Er wollte nicht mehr weiterziehen. Er wurde jetzt bald dreißig, und er würde sich gern auf einer großen Schaffarm niederlassen, um dort zu arbeiten. Grenzreiter, das würde ihm gefallen. Er hatte versucht, mit Jasperson darüber zu reden, aber das war ein seltsamer Typ. Er behauptete, er habe seine gesamte Familie verloren. Sie seien beim Überqueren des Broken alle ertrunken. Er sagte, er und seine Familie seien aus freien Stücken aus England gekommen, weil er hier sein Glück machen wolle.
Lee schürte das Feuer, legte einen Teigklumpen hinein und brachte das kostbare Wasser im Kessel zum Kochen, um Tee aufzubrühen. Dann setzte er sich mit gekreuzten Beinen hin, seine Satteltasche neben sich, und holte Trockenfleisch aus einer Känguruhaut. In sämtlichen Satteltaschen befanden sich die Reste von geräuchertem Emu, Känguru, Fisch und Lamm. Widerwillig musste Dave zugeben, dass Lee seine selbst ernannte Aufgabe als Koch ernst nahm, was ein großes Glück war, denn Hamish dachte nie ans Essen, bis es fast schon zu spät war, und dann erwartete er, dass Lee dafür sorgte.
» Nun, Dave, ich höre, wie es in deinem Kopf rattert, und wenn ich das kann, kann Jasperson es bestimmt auch«, brach Hamish plötzlich das Schweigen.
Lee, der gerade vorsichtig Tee in vier Blechbecher einschenkte, hielt erwartungsvoll inne. Dave bohrte mit dem Zeigefinger in Dreck. Hamish klappte sein Buch zu.
» Dave, es sieht dir gar nicht ähnlich, nicht auszusprechen, was du denkst.« Er hatte Dave im Lager ganz bewusst ausgesucht, und auch Jasperson begleitete sie auf seinen Entschluss hin– sie waren beide Männer ohne Ehrgeiz oder Ziel. Hamish ergriff den Becher, den Lee ihm reichte, und trank einen Schluck des heißen Gebräus, bevor er den Becher neben sich auf die Erde stellte. Sie waren genau die Männer, die er brauchte, Männer, die ungern Entscheidungen trafen, Männer, die einen Anführer brauchten.
» Ich habe gerade überlegt, dass ich gerne Grenzreiter sein möchte, Hamish. Nicht, weil ich dich verlassen will, aber ich möchte mich jetzt langsam mal niederlassen. Vielleicht wieder auf diese Farm von dem Engländer.« Dave fuhr sich mit der Zunge über die Lippen und blickte rasch zu Jasperson, in der Hoffnung, bei ihm Unterstützung zu finden.
Hamish trat ums Feuer herum, ergriff einen spitzen Stock und hockte sich hin, um die Scheibe geräuchertes Fleisch, die er damit aufspießte, kurz ins Feuer zu halten, bevor er nachdenklich davon abbiss.
Dave trank hastig seinen wässerigen Tee und verbrannte sich prompt die Zunge. Der blöde Jasperson. Er sah das doch bestimmt genauso. Wer wollte schon ständig durch die Gegend ziehen? Er jedenfalls sah keinen Sinn darin. Er war es leid; er war sein Bein leid, das ständige Weiterziehen, das Reiten, und er war einsam. Er brauchte eine Frau, jemanden, der kochen konnte, jemanden, den er nachts anfassen konnte. Es war schon verdammt lange her, seit er mit einer Frau zusammen gewesen war.
» Bis zur nächsten Poststation ist es noch ein Zwei-Tages-Ritt. Da bekommen wir so viel Wasser, wie wir wollen«, erwiderte Hamish und spuckte Knorpel aus.
» Lee?«, fragte er.
» So lange reicht es noch.«
» Auch für die Pferde, Lee?«
Lee nickte. Dave und Jasperson traten ebenfalls ans Feuer und spießten Fleisch auf. Auch Lee nahm sich etwas zu essen und legte sich in die weiche Senke unter einem mächtigen Eukalyptus.
Hamish hockte weiter am Lagerfeuer, stocherte in dem Teigklumpen und dachte an das ausgelassene Fett, das sie für Lees Pferd eingetauscht hatten. Der Gedanke daran, wie es jetzt verführerisch auf das Brot tropfte, ließ seinen Magen laut und vernehmlich knurren. » Das beste Land, durch das wir geritten sind, war schon in fremdem Besitz.« Es wurde langsam dunkel, und ein einsamer Stern flackerte durch das Laub der Bäume. » Ich möchte aber gerne eigenes Land haben. Ein Stück Land, das wir alle als Zuhause bezeichnen können.« Er blickte in die verblüfften Gesichter. So hatte er sich das vorgestellt. Dies waren Männer, die irgendwo zu Hause sein wollten. Aber fast noch wichtiger war für sie, ein Ziel zu haben. » Noch zwei Tage, Dave?«
» In Ordnung«, willigte Dave ein. » Noch zwei Tage.«
The Hill war nicht viel mehr als eine Poststation.
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