Weites Land der Sehnsucht: Australien-Roman (German Edition)
Ein kleines Gebäude diente als Postamt und allgemeiner Laden, in einem Hotel gab es Alkohol, Mahlzeiten und Betten, während drei kleine Hütten von einem alten Mann, einem Spurenleser und zwei Prostituierten bewohnt wurden. Alles in allem war diese isolierte Ansiedlung eine armselige Belohnung für die Männer, die er schon einmal zum Hotel geschickt hatte. Hamish kratzte sich nachdenklich am Kopf und blieb mitten auf der staubigen Hauptstraße stehen, um zu den Bäumen und dem hohen Gras am Rand der Ortschaft zu blicken. An diesem Ort würde niemand Notiz nehmen vom Kommen und Gehen eines Mannes.
Ein paar Meter entfernt stand auf einem Schild über dem Laden der Name des Eigentümers: Todd Reynolds. Die rote und weiße Farbe an dem Schild, das im Südwind klapperte, blätterte bereits ab. Mit dem Windstoß drangen auch das heisere Kichern einer Frau und der raue Schrei einer vertrauten Stimme zu ihm: Jaspersons Bedürfnisse waren eindeutig wesentlich größer als Daves. Hamish schnalzte mit der Zunge. Eines Tages würde er auf diesem Gebiet auch einige Fertigkeiten erwerben müssen, im Moment allerdings waren ihm ein Buch, etwas zu essen und Informationen noch wichtiger.
Hamish betrat den Laden, wobei er feststellte, dass der Wind auch hier drinnen durch verschiedene Löcher in den Wänden pfiff. Der dämmerige Raum war voll staubiger Regale und Schränke, von denen die meisten jedoch leer waren. Der Ladenbesitzer blickte nur einmal kurz auf, dann widmete er sich wieder seiner Arbeit. Mit kreisförmigen Bewegungen polierte er die lange Holztheke, die ebenfalls leer war, von einem Kassenbuch und zwei Gläsern mit Süßigkeiten abgesehen.
» Was verkaufen Sie hier denn?«, fragte Hamish.
» V-viele D-Dinge, K-Kleiderstoff, L-Lampen, Speck.«
Hamish blickte sich um. » Ja, verstehe.«
» Tee, M-Mehl, Tabak. Hier k-kommen nicht v-viele vorbei. Einen T-Tagesritt nach Süden g-gibt es eine kleine Stadt und eine Handelsagentur, Viehhandel und landwirtschaftlicher Bedarf.«
» Also kaufen und verkaufen sie in der Agentur auch Schafe, ja?«, fragte Hamish.
» Ja. Sie g-gehört meinem B-Bruder, und auch der Laden und das H-Hotel.«
» Alles gehört ihm?«
» Ja.«
Der Ladenbesitzer hielt inne. Seine Lippen zuckten, als wolle er noch etwas sagen. Hamish hatte den Eindruck, dass der Mann sich lange nicht mehr unterhalten hatte.
» Wie heißt diese Stadt?«
Langsam, als ob diese Information seine ganze Konzentration erfordere, antwortete der Ladenbesitzer: » Ridge Gully. S-sie bauen auch einen Holzplatz. Es gibt dort viele Häuser. M-mein Bruder Matthew lebt in einem Ziegelhaus. Da ist viel Geld.«
Das konnte er sich vorstellen, als er die staubige Hauptstraße entlangging, ein Bonbon im Mund. In der Tasche hatte er noch weitere Bonbons für seine Reisegefährten. Todd Reynolds, oder Tootles, wie er anscheinend lieber genannt wurde, steckte zwar voller Informationen, aber für Hamish stellte sich noch die Frage, wie er sie am besten nutzen konnte. Nachdenklich kratzte er sich am Kopf. Er konnte es wie die anderen machen und sich ein paar Schafe kaufen, aber wie sollte er an Land kommen? Und ein kleiner Flecken würde ihm nichts nützen. Der Wind frischte auf und blies ihm Sand in Augen und Ohren. Links von ihm winkte ihm die ältere der beiden Prostituierten, die ein schmutziges Unterkleid trug, desinteressiert zu, während die jüngere sich schon wieder von Jasperson wegführen ließ. Hamish steckte die Hand in sein Hemd und betastete den Lederbeutel, in dem er sein Geld versteckt hatte. Seine Stiefel waren nicht mehr solide genug, um es dort mit sich zu tragen.
Auf den abgetretenen Stufen zum Hill Hotel und Restaurant blieb Hamish stehen, um sich den Staub von den Kleidern zu bürsten. Sein linker Stiefel, dessen Sohle halb abgerissen war, wurde nur noch von Zwirn zusammengehalten. Seine Hose war fadenscheinig und sein Hemd, schmutzig und schlecht geflickt, stank ebenso wie er zum Himmel. Seine Augen brannten vom Staub, und die Aufgabe, die vor ihm lag, schien ihm unüberwindlich schwer. Er hatte sein Heimatland wegen einer Frau verlassen. Er hatte drei Monate auf einem Schiff verbracht, wo sie zusammengepfercht waren wie Vieh. Er hatte seinen Bruder verloren… Hamish ließ sich schwer auf die Stufen sinken, hob den Kopf und blickte die Hure an, die einen schrillen Pfiff ausstieß und sich mit einer obszönen Geste zwischen die Beine packte. Die Frau saß vor ihrer Hütte im Dreck. Rum tröpfelte aus ihrem
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