Weites Land der Sehnsucht: Australien-Roman (German Edition)
stieg und um die Ecke des Schuppens verschwand.
» Woher wusstest du es denn?« Anthony blickte ihr nach.
Cameron überlegte einen Moment lang. » Wie ihr euch anseht. Ihr habt doch für nichts anderes Augen. Außerdem hast du ihr einen hübschen Schal geschenkt, und sie trägt ihn.«
» Komm, lass uns die Zäune fertig machen.«
» Klar.« Cameron packte seinen Freund an der Schulter. » Aber denk vor allem an eines: Lass nicht zu viel Zeit verstreichen, Anthony.«
» Cam, alter Kumpel. Ich bin dir ja dankbar für deinen Zuspruch, aber hast du auch schon mal daran gedacht, dass deine Mutter einen Anfall kriegen würde, wenn zwischen Sarah und mir etwas wäre?« Anthony kratzte sich an der Schläfe. » Und da ist ja auch noch mein Job.« Anthony begann, am nächsten Pfosten zu arbeiten. Er drehte den Draht fest um den Stamm und redete schließlich über die Ausmusterung am nächsten Tag. Es fiel ihm wesentlich leichter, von der Arbeit zu sprechen als über ein Thema, das er noch nicht zu Ende gedacht hatte.
Sommer 1857
Im mittleren Westen von New South Wales
Der Duft von stehendem Wasser drang schon in Hamishs Nase, als seine mürrischen Begleiter den Fluss noch lange nicht gesehen hatten. Hamish duckte sich, um einem tief hängenden Ast auszuweichen und blickte zu Dave, der vorneweg ritt. Sein Pferd wich geschickt den Bäumen aus, die hier an diesem Hügel standen. Als sie die Ebene erreicht hatten, wurden ihre Pferde wieder schneller, zumal der Boden hier in Ufernähe weicher wurde. Hamish zügelte sein Pferd und nickte Lee zu. Hier würden sie ihr Lager aufschlagen. Es wurde schon dunkel, und das plätschernde Geräusch des Wassers würde ihren Schlaf begleiten, zumindest für diese Nacht. Es war ein anstrengender Ritt gewesen, und den Zugwagen hatten sie verloren, als sie den Broken River überquert hatten. Hilflos hatte Hamish mit ansehen müssen, wie sein zweites Hemd, seine kleine Sammlung von Büchern, sein Zelt und seine Werkzeuge mit dem Fluss davongetrieben waren. Der Chinamann rieb sich das Hinterteil und murmelte etwas vor sich hin, während er das Flussbett inspizierte. Hamish hatte ihn mühsam überreden müssen, sich auf die alte Stute zu setzen, die er gegen ein halbes Pfund Schafsfett eingetauscht hatte. Der Mann konnte ja schließlich nicht zu Fuß durch dieses weite Land gehen.
Dave stieg ab und führte sein Pferd an das dünne Rinnsal in dem halb ausgetrockneten Flussbett. Erst dann streckte er sein steifes Bein aus. Das Pferd schnüffelte lustlos an dem kleinen Teich. Dave nahm ihm Sattel und Satteldecke ab und legte sie unter die ausladenden Äste eines alten Eukalyptusbaums. Aus einer lederbezogenen Feldflasche goss er Wasser in seinen Hut, ließ sein Pferd trinken und nahm selbst einen Schluck aus der Flasche. Hamish und Jasperson machten es genauso. Das leise Schnauben der Pferde hallte über das Flussbett. Dave strich seinem Tier über das Maul und befreite es vom Geschirr, bevor er sein Bündel ergriff und zum Baum humpelte. Ein paar Meter entfernt ließen sich Hamish und Jasperson an den anderen Bäumen nieder. Jasperson schlug nach den Fliegen und stocherte mit einem spitzen Stock im Staub herum, während Hamish in einem abgegriffenen Buch blätterte, das er vermutlich auswendig kannte.
» Mister Hamish, wir haben wenig Wasser.«
Da hatte der jammernde Chinese einmal recht, dachte Dave und streckte sich aus. Lee machte sich daran, kleine Zweige und getrocknete Blätter zusammenzutragen, um ein Feuer zu entzünden. Die meisten Vorräte waren beim Verlust des Zugwagens im Hochwasser des Broken River untergegangen. Auf dem Weg hatten sie Jasperson aufgegabelt, noch ein hungriges Maul mehr, aber das war nicht so schlimm gewesen, weil sie vier Tage, nachdem sie den Fluss überquert hatten, auf einmal im Himmel gelandet waren. In einer Landschaft mit Eukalyptushainen tummelten sich Kängurus, Schweine, Emus und Füchse. In den Flüssen gab es reichlich Fische und Muscheln, und die Luft in der weiten, offenen Landschaft, in der keine Felsen die Sicht versperrten, war frisch und klar. Und dann die Schafe. Dave war sich sicher gewesen, dass Hamish alleine wegen der Schafe bleiben würde. Wie weiße Wölkchen zogen sie über die sanften Hügel bis an den Horizont. » Nicht hier«, war Hamishs einziger Kommentar gewesen, als ob noch etwas Besseres auf sie warten würde. Zwei Wochen lang waren sie durch dieses üppige Grasland gezogen, und jetzt waren sie an diesem jämmerlichen
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