Weites Land der Sehnsucht: Australien-Roman (German Edition)
nach der anderen ab, bevor er von ihrem Bau am Stamm wegrutschte.
Milly griff nach dem Wassersack, der an einem Haken vor der Küche hing. Luke hielt den Atem an. Sie trank immer als Erste. Sie zog ein letztes Mal an ihrer Zigarette und drückte sie dann mit bloßen Füßen auf dem Boden aus. Dann trank sie gierig, so viel sie konnte. Sie ließ nie genug für die anderen übrig. Aber dann fing sie an zu würgen und ließ den Sack fallen. Hustend spuckte sie das Wasser wieder aus. Luke grinste. Kaulquappen! Mit einem wilden Schrei blickte sich Milly im Hof um und rief seinen Namen. So schnell ihn seine kleinen Beine trugen, rannte Luke um die Ecke des Hauses und direkt in das neue Mädchen, Grace, hinein. Sie schaute ihn mit leerem Gesichtsausdruck an und ging an ihm vorbei. Sekunden später hörte er streitende Frauenstimmen.
» Was soll das heißen, man kann nicht darauf spielen?« Hamish zog ärgerlich an seiner Pfeife und trampelte mit seinen Stiefeln auf dem indischen Webteppich herum. Rose trat ans Klavier und hob den Deckel. Sie schlug ein paar Tasten an. Misstönender Lärm erfüllte das Zimmer, und sie schloss rasch den Deckel wieder. Rose schob sich eine Haarsträhne hinter das Ohr, die sich aus ihrem Knoten gelöst hatte. » Es muss gestimmt werden. Bis dahin ist es lediglich ein dekoratives Möbelstück.« Sie setzte sich wieder auf das Sofa, nahm ihre Näharbeiten zur Hand, seufzte dramatisch und ergriff ihre Stopfnadel.
» Lediglich ein dekoratives Möbelstück?«, wiederholte Hamish und klopfte seine Pfeife am Kamin aus. » Dieses Klavier hat viel Geld gekostet, und dann kommen noch die Transportkosten hinzu.« Die Adern an seinem Hals traten hervor. Dunkel hoben sie sich von seinem weißen Hemd ab. » Ich dulde nicht, dass du…«
Rose hielt die Stopfnadel fest zwischen den Fingern. Seit drei Nächten schon hatte sie auf das Knarren von Tür und Bett gelauscht, auf das Plätschern von Wasser, das leise Geräusch schwarzer Füße auf den Dielenböden.
» Ich bitte um Entschuldigung, wenn meine Antwort dir nicht gefällt, Hamish.« Rasch stopfte sie das kleine Loch an den Wollschühchen des Babys zu.
» Genug!« Sein vor Wut verzerrtes Gesicht wurde tiefrot.
Einen Moment lang fragte Rose sich, ob er wohl einen Herzanfall bekommen und tot umfallen würde. Dann würde sie alles verkaufen und zurückkehren nach Ridge Gully. Sie würde ihre Tochter zu sich nehmen und neu anfangen.
» Mister Hamish, komm, komm schnell!« Lee kam mit fliegenden Rockschößen ins Wohnzimmer gerannt. Sofort wandte er sich wieder um, lief durch das Esszimmer, den schmalen Gang zur Küche entlang. Töpfe und Pfannen schimmerten im Herdfeuer, und eines der schwarzen Hausmädchen rührte nervös in einem Kessel. Howard und William saßen vor ihren unberührten Tellern, und vor ihnen stand Mrs Cudlow, die drohend einen Holzlöffel erhoben hatte, damit sie sich nicht bewegten. Die Amme saß auf einem Schaukelstuhl in der Ecke und stillte Samuel. Sie grinste wissend und zeigte ihre gelben, abgebrochenen Zähne.
Draußen, in Lees Gemüsebeet, kauerte Milly am Körper eines jungen Mädchens, das bäuchlings auf der Erde lag. Zu ihren Füßen lag ein blutiges Holzscheit. Heulend beklagte sie ihr Opfer. Hamish sah, dass ihr Kleid am Hals zerrissen war und eine dünne Blutspur auf den Stoff tröpfelte.
Hamish bückte sich, um den Körper umzudrehen. Er zuckte zusammen, als er die warme Haut berührte, die sich unter dem dünnen Schweißfilm beinahe samtig anfühlte. Grace lag tot vor ihm, das Gesicht blutig und zerschlagen. Geronnenes Blut bedeckte die verfilzten Haare und die gesamte linke Gesichtshälfte. Hamish räusperte sich.
» Sehr schlimm«, murmelte Lee.
» Ja, Lee«, stimmte Hamish zu. Seine Frau stand am Hintereingang zur Küche und beobachtete die Szene entsetzt. » Sehr schlimm.«
» Mr Boss, Mr Boss!«, schrie Milly, als Boxer und Jasperson auf sie zutraten.
» Entschuldigung, Boss. Entschuldigung.« Boxer schüttelte das Mädchen grob. Er packte sie an den Haaren und zerrte sie hinter sich über den Hof. Jasperson wies mit dem Kinn auf das tote Mädchen und blickte Hamish fragend an. Als dieser nickte, trat er zu der Leiche, um sie wegzubringen.
Boxer übergab die schluchzende Milly an zwei seiner Stammesgenossen, die sie wortlos hinter sich herzogen. Traurig schüttelte er den Kopf, schob sich das fettige Haar aus der Stirn und setzte seinen breitkrempigen Hut wieder auf. Das hatte Boxer für seinen Stamm,
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