Weites Land der Sehnsucht: Australien-Roman (German Edition)
für sich nicht gewollt. Er hielt den Boss zwar für einen guten Mann, aber wie alle Weißen glaubte er, das Land leicht in Besitz nehmen zu können, indem er sein Volk eroberte. Aber es würde ihm nie gehören. Das Land würde ihn besitzen, für immer.
Vielleicht, so dachte Boxer, wäre er doch besser mit dem Rest seines Stammes gegangen, anstatt sie zu überreden, bei ihm zu bleiben, als Hamish Gordon als neuer Besitzer des Landes aufgetaucht war. Boxer war früh aufgewacht, und als er aus seiner Hütte gekrochen war, hatte er gesehen, wie die anderen ihre Habseligkeiten gepackt hatten. Der Boss hatte Boxers Leuten Kleider und Essen angeboten, damit sie blieben und für ihn arbeiteten, aber viele hatten abgelehnt. Sie hatten die Kleider des weißen Mannes zerrissen, um Kopfbänder und Beutel daraus zu machen, die sie dann an Stöcke banden, um sie über der Schulter tragen zu können. Die Männer wickelten sich Stoff um die Taille, um dort Jagdstöcke und Messer hineinzustecken. Manche der Frauen trugen Röcke, aber die meisten waren nackt. Kinder wurden in die Stoffe gewickelt, damit man sie so auf dem Rücken tragen konnte. In einer langen Reihe wanderten seine Leute weg, und Boxer bezweifelte, dass er viele von ihnen wiedersehen würde. Er verstand jetzt, dass sie Dinge vorhergesehen hatten, die er sich nicht hatte vorstellen können.
In jener Nacht träumte Hamish vom Tod. Milly und Grace waren beide schon auf Wangallon begraben, aber in seinem Traum kreisten fette Krähen über den schwarzen Frauen. Das schreckliche Ausmaß des Todes überwältigte ihn. Er hatte das Gefühl, die Nacht würde ihn langsam verschlingen, bis nichts mehr von ihm übrig war, nur noch Leere und Nichts. Milly war mit dem Speer getötet worden.
Er erwachte spät am Abend, als ein Wind über die trockenen Ebenen ging und die stickige Luft in seinem Zimmer vertrieb. Er stellte sich vor, er und Charlie würden wie Eulen über Wangallon Station fliegen. Im Mondschein flogen sie wie Schatten über das Lager der Schwarzen zum Fluss, wo Dave in seiner Rindenhütte zwischen Mutter und Tochter schlief, über den Wollschuppen und die Gehege, die schon für den nächsten Tag gefüllt waren. Am Zaun ruhten sie sich aus. Charlie lächelte ermutigend, und dann war er verschwunden. Es war schon Morgen, aber draußen war es noch dunkel. Hamish zündete die Lampe auf seinem Nachttisch an und hob sie hoch. Ihr Licht fiel auf das Zimmer, aber er suchte vergeblich nach den Gestalten, die an seiner Seite gewesen waren. Und auch der intensive Geruch der schottischen Landschaft war verschwunden.
» Ich werde nie mehr in die Nähe der Schwarzen gehen«, murmelte er. » Ich habe falsch gehandelt.« Aber er konnte auch nicht mehr so weiterleben wie in der Vergangenheit. Er brauchte einen Grund, um Hoffnung für die Zukunft zu haben, denn auch er hatte doch ein bisschen Glück verdient. Gleich heute Morgen würde er an die Abishari-Brüder schreiben, beschloss er. Er würde dann in ihrer Schuld stehen, aber das wäre es wert.
Herbst, 1987
Wangallon Station
Das Kreischen von Vögeln durchbrach Sarahs Morgenträume. Sie war gestern Nachmittag in Wangallon angekommen, aber sie wusste nicht, warum ihr Großvater sie so dringend hier brauchte. Angus hatte sie am Flughafen abgeholt, aber er hatte sich über alles Mögliche mit ihr unterhalten, nur nicht über den Grund ihres Besuchs. Die Sonne schien durch die geöffneten Verandatüren, aber die Veranda würde schon bald der einzige kühle Ort im Haus sein. Ein Sonnenstrahl glitt über ihren Lieblingsliegestuhl auf der Veranda. Er war schon sehr alt, aber das Holz war noch tadellos in Ordnung. Ihr Großvater hatte ihr erzählt, dass er Hamish Gordon gehört hatte, und manchmal, früh am Morgen, konnte sie sich vorstellen, wie er dort saß, seine Pfeife rauchte und seinen Tag plante.
Die Rasenfläche vor dem Haus, die nur selten saftig grün war, war jetzt extrem trocken. Früher einmal war dort eine Auffahrt für Kutschen gewesen und auch ein Pfosten zum Anbinden für Pferde. Kein Wunder, dachte Sarah, dass die Pflanzen hier nicht richtig gediehen. Der Boden war einfach zu verhärtet, und man hätte jedes Jahr von Neuem umgraben müssen. Dort, wo der Rasensprenger für Feuchtigkeit sorgte, waren seltsame runde Flecken entstanden, aber die meisten Stellen waren trocken und braun. Jahr für Jahr hatten Sarahs Großmutter und ihre Mutter junge Pflanzen gesetzt, aus denen schöne Blumen werden sollten. Aber
Weitere Kostenlose Bücher