Weites Land der Sehnsucht: Australien-Roman (German Edition)
die sie von abgelegten Kinderkleidern abgetrennt hatte, komplettierten ihre neuen Kleider. Bei dem Gedanken daran wurde ihr schwindelig vor Aufregung. Unter ihrem Bett holte sie ein paar Schnürstiefelchen hervor. Die Absätze waren kaum abgenutzt von den wenigen Spaziergängen über die Hauptstraße von Ridge Gully, und wenn sie die Schnürsenkel nicht zu fest schnürte, dann passten sie auf ihre ständig geschwollenen Füße. Aus den restlichen blauen und rosa Stofffetzen fertigte sie zwei Halsbänder, die zu ihrer besseren Leinenbluse passten, wenn sie sie abends zu einem ihrer neuen Röcke trug. Sie wurde fast ohnmächtig vor Freude.
Das ganze Haus war in Aufruhr, und Hamish überließ sie nur zu gerne ihren Vorbereitungen beim Kochen, Nähen und dem Kleben der neuen Tapeten. Hamish verbrachte mit Jasperson und Dave lange Tage im Sattel, um die Schafe zu inspizieren, die Boxer mit seinen Leuten hereinbrachte. Von dieser Schur hing viel ab. Siebzig Prozent der Vorauszahlung, die sich auf sechzig Prozent der Gesamtsumme belief, waren bereits ausgegeben. Den Rest behielten sie zurück für die Ausgaben auf der Farm, da sie die letzten vierzig Prozent erst zu sehen bekommen würden, wenn die Wolle in London angekommen war. Und mit diesen vierzig Prozent mussten sie auskommen, bis Hamish im folgenden Jahr wieder nach Sydney reiste, um den Wollpreis für die nächste Saison zu verhandeln.
Hamish ritt zurück zur Farm und wurde von Howard und Luke begrüßt, die kreischend und lachend um die Ecke des Hauses gelaufen kamen. Dicht hinter ihnen ging Boxer mit drei Frauen. Hamish begrüßte seinen Vorarbeiter liebenswürdig. Howard starrte die barbusige ältere Frau und die beiden jüngeren Frauen in ihren formlosen Kleidern an, während Luke unbeeindruckt im Staub hockte und so tat, als kaue er ebenso wie Boxer auf einem Stück Kautabak.
» Ich bringe dir neues Mädchen, Boss. Du suchst aus?«
Hamish zögerte. Sie hatten bereits vier Hausmädchen, und er war sich nicht sicher, ob sie noch eins brauchten. Aber Boxer musste schon wieder mehr Stammesangehörige ernähren, und obwohl sein Stamm monatliche Rationen an Mehl, Zucker und Tabak erhielt, bekamen die Hausangestellten doch ein bisschen mehr zu essen, und außerdem hatten sie eine Uniform.
Boxer grinste. » Du suchst aus.«
Die Mädchen waren die Töchter der älteren Frau neben Boxer. Sie und die neuen Stammesmitglieder in Boxers Lager waren aus dem Süden hierhergewandert. Sie waren von den Weißen ausgepeitscht worden und fast verhungert. Die beiden Mädchen waren gleich groß, mit flacher Nase und niedriger Stirn. Die Kleider ließen nichts von ihrer Figur erkennen, aber die eine hatte schmalere Knöchel als die andere, und ihre Brüste unter dem Sackkleid sahen größer aus. Hamish deutete auf sie, nickte Boxer zu und ging. Seine Jungen folgten ihm. Howard ging gemessen wie sein Vater, während Luke zum Haus rannte, um den Hausmädchen mitzuteilen, dass eine neue käme. Heute Abend würde das Mädchen in seinem Zimmer sein, dachte Hamish. Dafür würde er sorgen.
Das Mädchen wartete schweigend auf ihn in der Dunkelheit. Als er ihren leisen Atem hörte, schaute Hamish zum Zimmer seiner Frau. Kein Licht drang unter der Tür durch. Er schloss die Tür und hängte sein Abendjackett in den Schrank. Eine kleine Lampe auf seiner Kommode leuchtete auf die weiße Leinenbettwäsche und die dunklere Überdecke auf dem Bett. Wie ein Schatten hockte das Mädchen in der hinteren Ecke des Zimmers, halb versteckt hinter den schweren Vorhängen und der großen Packkiste mit den Baumwollgriffen, die ihm als Schreibtisch diente. Er sah nur das Weiße ihrer Augen, als sie ihm mit ihren Blicken folgte.
Hamish winkte sie zu sich. Ruhig und vorsichtig trat sie auf ihn zu, als ob sie instinktiv wüsste, dass die Dielenbretter knarrten. Er bedeutete ihr, ihr Kleid auszuziehen, und es sank zu Boden. Er leuchtete mit der Lampe über ihren nackten Körper, um ihn auf Narben oder Geschwüre zu untersuchen. Das Mädchen machte einen sauberen Eindruck. Er fuhr mit dem Finger von ihrem Hals zu einer Brust und rieb fest über den Nippel. Sofort wurde er steif. Flüchtig fragte er sich, was wohl aus den Kindern würde, die aus solchen Verbindungen entstanden.
Geistesabwesend suchte er nach einem Namen. Manchmal konnte ein Name ganz nützlich sein, wenn man jemandem Vorwürfe machen wollte, aber oft war er auch einfach irrelevant. Nein, sie brauchte keinen Namen. Sorgfältig zog er sich
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