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Weites Land der Träume

Titel: Weites Land der Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne McCoullagh Rennie
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habe ich alles kaputtgemacht.« Der Professor kramte herum, während Alice das Meerschweinchen, das sie Greta genannt hatte, zurück in seinen Käfig setzte, und ihren weißen Laborkittel auszog. »Ich hole nur noch meine Sachen«, sagte sie, schon auf dem Weg zur Tür.
    »Sie werden nichts dergleichen tun, junges Fräulein. Stattdessen räumen Sie das Durcheinander auf, ziehen einen sauberen Kittel an und nehmen die Sonnenbrille ab. Und dann trinken wir beide eine Tasse Kaffee.« Er fuhr sich mit den Händen durch den weißen Haarschopf und schüttelte den Kopf. »Es ist alles meine Schuld, weil ich Sie zu diesen unmenschlichen Arbeitszeiten verdonnert habe. Rosie schimpft mich immer, dass ich Sie zu sehr schinde. Aber wenn ich arbeite, vergesse ich alles um mich herum, und Sie sind mir eine große Hilfe.« Er blickte sie über den Rand seiner Brille mit den dicken Gläsern an. Alices saphirblaue Augen leuchteten riesengroß in dem herzförmigen Gesicht. »Sie sehen zum Fürchten aus. Haben Sie überhaupt schon gefrühstückt?«
    »Soll das heißen, Sie werfen mich nicht hinaus?«, fragte Alice ungläubig.
    »Mein liebes Kind, so ein Goldstück wie Sie lässt man nicht einfach gehen. Sie sind meine rechte Hand, und nur die weiß, was die linke gerade tut.« Nach zwei Tassen starkem schwarzem Kaffee und zwei Brötchen fühlte Alice sich schon etwas besser. Sie erklärte ihr Verhalten damit, sie habe wegen eines Briefes ihrer Tante und der Geburt ihres Neffen plötzlich Heimweh bekommen. Das stimmte beinahe, und der Professor glaubte ihr sofort. Zu guter Letzt bestand er darauf, dass Alice am nächsten Wochenende zu ihm und seiner Frau Rosie zum Essen kam. Es war der Beginn einer herzlichen und engen Freundschaft.
    Alice kroch in einen schmutzigen Overall und auf allen vieren auf dem Boden herum, um sauber zu machen. Sie lächelte, als sie an die Aufregung des Professors wegen seiner heutigen Entdeckung und an ihr eigenes Glück dachte, weil sie eine Arbeit gefunden hatte, die sie wirklich liebte. Als sie die Mäusekäfige reinigte und das herausgerieselte Sägemehl auffegte, musste sie niesen.
    Da sie darüber grübelte, wie sie es wohl schaffen sollte, alle Notizen des Professors über die letzten Experimente noch vor drei Uhr morgens abzutippen, zuckte sie zusammen, als sie eine Frauenstimme hörte. Der Duft von Miss Dior schwebte durch die Luft.
    »Hallo.«
    Alice richtete sich auf, verärgert darüber, dass sie jetzt herumstehen und plaudern musste, obwohl sie doch so viel zu tun hatte. Als sie allerdings sah, wie schön die junge Besucherin war, schnappte sie nach Luft.
    »Ich bin Harriet Stoneham-Clarke, aber alle nennen mich Harry«, verkündete die Frau und hielt Alice die Hand hin.
    Alice brauchte eine geschlagene halbe Minute, bis sie sich von ihrem Schrecken erholt hatte. Rasch wischte sie sich die Hände an ihrem Overall ab. Sie war tief beeindruckt und kam sich schrecklich unscheinbar vor. »Harry« war nach der neuesten Mode gekleidet, trug ihr üppig glänzendes und dichtes braunes Haar mit einem Haarband zusammengefasst und sah aus, als sei sie gerade der Titelseite von Vogue entstiegen. Ihre freundlichen dunkelbraunen Augen brachten ihre helle Haut zum Leuchten. Alice fand, dass ihr Spitzname überhaupt nicht zu ihr passte.
    Die junge Frau löste mit einer ganz und gar nicht mannequingemäßen Bewegung ihr Haarband, hielt es mit dem Mund, während sie sprach und ihre Frisur ordnete. »Es ist immer ein wenig verwirrend, wenn eine Freundin sagt, sie möchte Harry übers Wochenende mitbringen«, meinte sie lachend und knotete ihr Haarband fest. Ihr Verhalten lockerte die Stimmung sofort auf. Harriet war es gewöhnt, dass die Menschen bei ihrem Anblick erstarrten.
    »Nein, sagen Sie es nicht, das tun nämlich alle: Ich hätte Mannequin werden sollen. Ich habe es versucht, aber es ging einfach nicht. Mummy wollte, dass ich mit den anderen Debütantinnen auf die Mannequinschule gehe, weil ich nicht in ein Mädchenpensionat in der Schweiz wollte. Aber das habe ich ebenfalls verweigert und habe mich stattdessen zur Krankenschwester ausbilden lassen. Die arme Mummy! Sie und Daddy sind fast tot umgefallen, als ich es ihnen gebeichtet habe. Und dabei soll ich mich doch auf den Richtigen vorbereiten, Horden von Enkelkindern in die Welt setzen und mich auf Wohltätigkeitsveranstaltungen herumtreiben.« Ihr Akzent klang nach englischem Oberschicht-Internat.
    Alice hatte sich inzwischen von ihrem Schrecken erholt

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