Weites Land der Träume
bei Marigold zu lassen. Und wenn das neue Baby kam – nun, damit würde sie sich befassen, wenn es so weit war. Wahrscheinlich würde Teddy Einwände haben, wenn sie wieder zur Arbeit ging. Aber schließlich brauchte sie es bis zu seiner Rückkehr ja nicht zu erwähnen. Außerdem war sie sicher, ihn überzeugen zu können.
»Eine Schwangerschaft ist ja keine Krankheit«, sagte sich Alice und machte Licht, um den Brief noch einmal zu lesen. Schließlich hatte sie selbst miterlebt, wie Freundinnen von Tante Bea während ihrer gesamten Schwangerschaft weiterarbeiteten und schon kurz nach der Geburt wieder in den Betrieb zurückkehrten. Und darüber hinaus würde sie ja in einem Krankenhaus tätig sein. Da sie wusste, dass er immer spät zu Bett ging, schlug sie die Vorsicht in den Wind und rief Professor Dixson an. Der Professor war ganz aus dem Häuschen vor Freude, und Alice musste laut loslachen, als er beteuerte, er sei sogar bereit, einen Kopfstand zu machen, wenn er sie auf diese Weise dazu bringen könne, wieder für ihn zu arbeiten. Am nächsten Tag buchte Alice die Flüge nach Australien. Die Luft roch nach Herbst. Selbst die rauchenden Feuer, in denen Laub verbrannt wurde, störten sie nicht so wie früher, auch wenn sie weiterhin eine Erinnerung an das tragische Ereignis ihrer Kindheit bedeuteten. Die Hände voller rostroter und orangefarbener Blätter, kam Vicky in die Küche gestürmt und verteilte das Laub auf dem Tisch, wo Alice gerade Lebensmittel zubereitete. Alice fühlte sich unbeschreiblich glücklich.
Als sie am Ende ihrer ersten spannenden Woche in Professor Dixsons Labor zur Tür hereinkam, läutete das Telefon. Es war Teddy.
»Diesmal wird es sicher ein Junge«, jubelte er, als sie ihm von dem Baby berichtete. Alices Herz machte bei diesen Worten einen Satz, denn seine Reaktion war so ganz anders als damals bei Vicky. Weil sie so froh über ihre Tätigkeit in London und auch darüber war, wie gut Vicky und Marigold sich verstanden, erzählte sie ihm dann von ihrer Zusammenarbeit mit dem Professor. Teddy schwieg so lange, dass Alice schon glaubte, dass die Verbindung gestört war.
»Teddy, Liebling, bist du noch dran?«, fragte sie.
Teddy bekam einen Tobsuchtsanfall. Nachdem sie sich sein Gebrüll angehört hatte, sie sei eine egoistische und unfähige Mutter, die einzig und allein an sich selbst denke, verlor Alice die Geduld und verbat sich seine Vorwürfe. Immerhin sei es genausogut ihr Baby, während er sich unvernünftig aufführte. Abschließend schrie sie, er solle sich doch zum Teufel scheren, und knallte den Hörer hin. Dann jedoch bekam sie ein schlechtes Gewissen und wollte ihn zurückrufen, doch sie bekam keine Verbindung mehr. Traurig schleppte sie sich in die Küche und brühte sich eine Tasse Kaffee auf. Vicky kam die Treppe hinuntergerannt und warf sich ihrer Mutter in die Arme. Marigold folgte ein wenig langsamer und entschuldigte sich, weil sie nicht ans Telefon gegangen sei.
»Das war Daddy«, sagte Alice bemüht fröhlich zu Vicky.
»Kommt er nach Hause?«
»Bald, Liebling.« Vicky, die fand, dass sie nun genug gedrückt worden war, rutschte von Alices Knie, um sich einen Keks zu holen.
»Ist alles in Ordnung?«, erkundigte sich Marigold, die Alices Miene bemerkt hatte. Alice biss sich auf die Unterlippe und lachte gezwungen auf. In ihren türkisfarbenen Augen schimmerten Tränen.
»Seltsam, wie kleine Dinge Erinnerungen auslösen.« Sie blinzelte ein paar Mal. »Mein Bruder und ich hatten so hoch fliegende Zukunftspläne, als wir klein waren, so wie Kinder sie immer machen.« Sie lachte leise auf. »Wir haben darüber gewitzelt, wie wir die besten Schafe auf der Welt züchten würden. Seit ich mich wegen Dicky so viel mit Genetik auseinander setze, muss ich oft an ihn denken. Ich vermisse ihn immer noch. Er war ein wundervoller Bruder. Ich wünschte, Teddy würde mich verstehen.« Alice schloss die Hände um die Kaffeetasse und blickte auf die dunklen Wiesen hinaus. Teddy hatte keinen Grund gehabt, so außer sich zu geraten. Schließlich verbrachte sie nicht ihre ganze Zeit in London, und sie vernachlässigte Vicky auch nicht.
»Hast du Teddy auch von dem Baby erzählt?«, fragte Marigold.
»Er hat sich sehr gefreut«, erwiderte Alice tonlos. »Aber als er erfuhr, dass ich wieder bei Dicky arbeite, hat er zu brüllen angefangen. Da habe ich die Beherrschung verloren.« Bedrücktes Schweigen entstand zwischen den beiden Frauen. »Hast du dir je etwas so gewünscht,
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