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Weites Land der Träume

Titel: Weites Land der Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne McCoullagh Rennie
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dass es wehtut, nur daran zu denken?«, platzte Alice heraus. Marigold, die nicht ganz wusste, wie sie Alices Bemerkung verstehen sollte, lachte leise auf. In ihren Worten schwang eine tiefe Sehnsucht mit.
    »Vermutlich schon, aber ich kann mich nicht richtig erinnern. Ich lebe eben einfach so in den Tag hinein«, antwortete sie ein wenig verlegen. Alice räusperte sich und stand auf.
    »Tut mir Leid. Ich bin nur ein wenig durcheinander. Ich hätte mich besser im Griff haben sollen. Immerhin ist er sehr weit weg. Ich gehe mich umziehen.« Doch in Alice war etwas aufgebrochen, das lange verschüttet gewesen war.
    Als Alice in der folgenden Woche aus Cambridge zurückkehrte, wo sie Besorgungen gemacht hatte, wurde sie von einer kreidebleichen Marigold erwartet.
    »Oh, mein Gott, Vicky ist etwas zugestoßen!«, rief Alice aus.
    Marigold schüttelte den Kopf. »Es geht um Mr. Turlington und seinen Freund. Sie sind vermutlich entführt worden.« Sie zitterte so sehr, dass sie kaum einen Ton herausbrachte.
    Alice schob ihr einen Stuhl hin und versuchte, sie zu beruhigen. Laut Zeugen vor Ort war der Führer von Judd und Teddy getötet worden. In den Ausläufern des Pamir-Gebirges kam es häufig zu Scharmützeln, aber offenbar war dieses heftiger als sonst gewesen. Zwei kirgisische Stämme waren übereinander hergefallen. Man hatte die Arbeiten an der Straße, die über den Pass gebaut werden sollte, auf unabsehbare Zeit eingestellt, und die Chinesen hatten ihre Grenze geschlossen.
    »Ich muss hinfliegen und ihn suchen. Ich muss nach Kaschgar!«, rief Alice. Ihr wurde flau im Magen, und ihre Pupillen weiteten sich vor Angst, als sie ihren Verlobungsring am Finger hin und her drehte. Sie wusste, dass sie Unsinn redete. Sie hatte ja keine Ahnung, was sie tun und wohin sie sich wenden sollte, wenn sie nach Kaschgar kam. Das Pamir-Gebirge war ein riesengroßes Gebiet, und sie kannte nicht einmal Teddys und Judds letzten Aufenthaltsort. Wie der Führer zu Tode gekommen war, wollte sie sich lieber gar nicht erst ausmalen. Alice war völlig ratlos und nicht in der Lage stillzusitzen. Am liebsten hätte sie Vicky an sich gedrückt, wagte es aber nicht, um ihre Angst nicht auf das kleine Mädchen zu übertragen. Unruhig lief sie im Zimmer auf und ab. Ihre zornigen Worte am Telefon gellten ihr in den Ohren. Die letzten Worte, die sie Teddy entgegengeschleudert hatte. Plötzlich erschien ihr alles so sinnlos.
    Die nächste Woche war die längste in Alices Leben, denn sie konnte weder nachts schlafen noch sich tagsüber auf die Arbeit konzentrieren. Dann, am achten Abend, läutete das Telefon. Zu ihrer Erleichterung war Teddy selbst am Apparat. Die Verbindung war so schlecht, dass sie ihn kaum verstehen konnte, doch zumindest wusste sie nun, dass er und Judd Kaschgar wohlbehalten erreicht hatten. Zwei Tage später landeten die beiden Männer auf dem Flughafen Heathrow. Alice bahnte sich, Holly im Schlepptau, einen Weg durch die Menschenmenge in der Ankunftshalle, um Teddy in die Arme zu schließen. Doch beim Anblick der beiden Männer blieb sie erschrocken stehen. Teddys rechtes Auge war blutunterlaufen und halb zugeschwollen. Allerdings war die Schwellung bereits zum Großteil zurückgegangen, und der Bluterguss schillerte in verschiedenen Gelb- und Grüntönen. Sein linker Arm war bandagiert, und sein Gesicht und seine Beine waren mit Krusten und Abschürfungen bedeckt. Judd humpelte, das linke Bein in Gips, hinter ihm her. Er hatte ein großes Pflaster auf der Schläfe, und seine Arme und das rechte Bein waren ebenfalls ziemlich zerbeult und zerschrammt. Die beiden Männer wirkten bleich und ausgezehrt.
    »Ich wollte es dir am Telefon nicht sagen«, erklärte Teddy und umarmte Alice. »Denn du hättest dir bestimmt schreckliche Sorgen gemacht. Wir waren in Kaschgar im Krankenhaus.«
    »Dieser Mann hat mir das Leben gerettet«, stieß Judd hervor und stützte sich auf den Arm seiner Frau. »Du hast allen Grund, stolz auf ihn zu sein.« Er seufzte auf. »Mein Gott, war das furchtbar.« Bevor sie in ihre Taxis steigen konnten, wurden sie von Reportern bestürmt, von denen jeder als Erster seinen Bericht bringen wollten. Überall zuckten Blitzlichter, und Alice und Vicky wurden beinahe umgerannt. Entsetzt hörte Alice zu, als Teddy den Journalisten schilderte, wie sie in den niedrigen Hügeln unterhalb des Khundscherab-Passes von einem Nomadenstamm überfallen worden seien. Eine Kugel hatte Judd ins Bein getroffen. Alice erschauderte.

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