Weites Land der Träume
nächsten Minuten waren im Raum nur leises Tippen und seine langsamen Atemzüge zu hören. Alice drückte unter dem Schreibtisch die Daumen und hielt die Luft an. Durch das Fenster drangen die Geräusche der Straße herein. Ein Hund bellte, Passanten plauderten, ein Auto fuhr vorbei. Schließlich blickte der Filialleiter auf.
»Wenn Sie glauben, die Ratenzahlungen aufbringen zu können, werden wir Ihnen einen weiteren Kredit gewähren, Mrs. Turlington«, verkündete er steif. »Allerdings sollten Sie wissen, dass ich zurzeit lieber nicht in Ihrer Haut stecken möchte.«
Alice seufzte auf. Zum Glück hatte sie sich die Mühe gemacht, vor ihrem Besuch alles genau durchzurechnen. Am liebsten wäre sie Mr. Munro um den Hals gefallen. Stattdessen stand sie mit leuchtenden Augen auf und schüttelte ihm die Hand.
»Halten Sie mich auf dem Laufenden, Alice, und noch mal viel Glück«, sagte er, und trotz seiner höflichen Fassade war ihm die Bewunderung anzumerken, als er sie zur Tür brachte. Alice beherrschte sich, bis sie die breite Straße überquert hatte und vor ihrem Wagen stand. Dann stieß sie einen lauten Jubelruf aus, sodass sich die Passanten erstaunt umdrehten. Der Filialleiter stand am Fenster und beobachtete sie schmunzelnd. Die anderen Farmer im Busch würden ihre liebe Not haben, diese Frau aufzuhalten.
»Du wirst es nie erraten!«, schrie Alice in den Hörer. Sie hatte Tante Bea anrufen müssen, denn sie war viel zu aufgeregt, um zu warten, bis sie in Billabrin war. Bea war genauso überrascht und freute sich für ihre Nichte. Nach dem Telefonat machte sich Alice auf den Weg zu ihrer Tante. Ihre Gedanken überschlugen sich.
Vicky begrüßte sie, ein eine Woche altes Kätzchen im Arm. Sie war braun gebrannt, und ihr Gesicht strahlte vor Gesundheit. Sie trug eine hübsche neue eierschalenfarbene Bluse und neue Jeans. In den letzten Monaten war sie sehr gewachsen. Immer wieder erschreckte es Alice, wie ähnlich Vicky ihrer eigenen Mutter sah. »Mum wäre stolz auf mich«, dachte sie mit einem Kloß im Hals. »Bestimmt wäre auch sie der Ansicht, dass ich viel erreicht habe.« In diesem Moment trat Bea lächelnd aus dem Haus. Ach, wie ich die beiden liebe, sagte Alice sich glücklich.
»Darf ich sie mitnehmen?«, fragte Vicky und streichelte das kleine Tier.
Alice lächelte ihre Tochter an. »Wenn Tante Bea einverstanden ist.« Heute konnte sie niemandem etwas abschlagen. »Aber vergiss nicht, dass du während der Woche hier bist.« Alice ging ins Haus und erzählte Tante Bea noch einmal von dem Geld und dass sie einen weiteren Kredit bekommen hatte, und natürlich von ihren weiteren Plänen für Merry-Maid.
»Ich überlege, ob ich mehr Land kaufen soll«, sagte Alice und stützte die Ellenbogen auf den alten Küchentisch aus Holz. »Jetzt kann ich es mir leisten, und das Gelände mit dem Bächlein, das an meines angrenzt, steht zum Verkauf. Es wäre wunderbar, einen Bach auf meinem Grund zu haben, der selbst bei dieser Trockenheit ein wenig Wasser führt. Wenn es endlich mal richtig regnet, werden die Weiden dort ausgezeichnet sein.«
»Meinst du das Land vom alten Charlie Weston?«, fragte Ray zögernd. Seine Augen wurden immer schlechter, und sein Gehör ließ allmählich nach. »Ich habe erfahren, dass er ans Verkaufen dachte. Also hat er sich inzwischen dazu entschlossen. Als ich ihn vor ein paar Wochen besucht habe, erzählte er mir, die Trockenheit mache ihm schwer zu schaffen. Er war deswegen ziemlich niedergeschlagen.« Ray schüttelte den Kopf und warf Alice einen liebevollen Blick zu.
»Du hattest großes Glück, mein Kind. Charlie meinte, er habe die Hälfte seiner Herde eingebüßt, weil er kein Futter mehr hatte. Eine Schande ist das. Und die McCreedies haben ihre Farm erst letzte Woche aufgegeben. Sie haben einfach alles stehen und liegen gelassen und sind weggegangen. Bea und ich haben uns schon Sorgen gemacht, dass es dich als Nächste erwischen könnte.« Kopfschüttelnd zog Ray an seiner Pfeife. Viele Kanäle waren fast leer, und nichts wies auf ein baldiges Ende der Dürreperiode hin.
»Vor ein paar Stunden wäre es fast so weit gewesen, Onkel Ray«, erwiderte Alice fröhlich und küsste ihn auf die Wange. »Komm, Ruh, wir brechen besser auf. Sonst fragt sich Marigold noch, was aus uns geworden ist.«
»Bring Marigold mit, wenn du das nächste Mal kommst. Sie ist so ein nettes Mädchen, und wir haben Ben schon seit einer Ewigkeit nicht gesehen«, schlug Tante Bea vor und küsste
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