Weites Land der Träume
und erleichtert sagte, diesmal nicht zufällig Robert in die Arme laufen, denn der lebte seit April mit Katie und Stewart in Westaustralien. Bea hatte berichtet, sie würden – sehr zu Katies Verdruss – erst zu Weihnachten nach Wangianna zurückkehren. Außerdem hatte Bea erzählt, dass es Katie in Westaustralien überhaupt nicht gefiel. Das Haus sei in ihren Augen eine Bruchbude, und sie habe Angst, dort zu versauern. Rays Anmerkung, es würde ihr sicher nicht schaden, hatte Bea kurz zum Schmunzeln gebracht, bevor sie ihren Mann für seine Gefühllosigkeit tadelte.
Heute war Alice an drei Merinowiddern interessiert, die bereits Wettbewerbe in der näheren Umgebung gewonnen hatten. Außerdem hatte sie noch einige hochwertige Mutterschafe ausgewählt und sich diesmal genug Zeit genommen, um die Tiere anzusehen. Sie schob sich durch die Menge, betrat den Pferch und zeigte dem Aufseher, welches Tier sie gern besichtigen wollte. Daraufhin zog der Aufseher die Mütze, schob von lauten Flüchen begleitet die übrigen Widder aus dem Weg, packte das fragliche Tier an den gekrümmten Hörnern und zog seinen Kopf zu Alice hinüber. Der Widder hatte ein wunderschönes weiches weißes Gesicht und kräftige gerade Schultern. Nachdem Alice sich bei dem Aufseher bedankt hatte, ging sie weiter, um die Mutterschafe zu untersuchen, die verwirrt im Pferch herumliefen, einander auf die Rücken sprangen und ängstlich vor sich hin glotzten. Bald schwitzte Alice in der gleißenden Sonne, und ihre Kehle war so trocken wie der Staub, der rings um sie aufgewirbelt wurde.
Heute war die Stimmung gedrückt, und die ersten Gebote waren erstaunlich niedrig. Auf der Suche nach dem Profibieter, der letztens die Preise hochgetrieben hatte, musterte Alice die Gesichter der Anwesenden, doch der Mann war nirgendwo zu sehen. Die Schafe waren zwar noch in gutem Zustand, würden aber wegen der verdorrten Weiden zugefüttert werden müssen, um die Wollqualität zu erhalten. Als Alice an der Reihe war, stellte sie fest, dass sie kaum Konkurrenz hatte. Ihr einziger Gegenspieler war ein ausgesprochen mürrischer Mann, der den Hut tief in die Stirn gezogen trug. Am Ende der Auktion hatte Alice einhundert erstklassige Wollschafe und die drei preisgekrönten Widder erworben.
»Die glaubt wohl, dass wir bald eine Überschwemmung kriegen?«, höhnte der Mann, der ihr gerade beim Bieten unterlegen war. Mit finsterer Miene spuckte er Kautabak aus und wies auf Alice. »Die Viecher sind doch in einer Woche tot, wenn man ein Weib da ranlässt.« Er zog den Hut noch tiefer über die Ohren und marschierte entrüstet davon. Als seine Kumpane brüllend zu lachen begannen, errötete Alice bis unter die Haarwurzeln.
»Hör nicht auf sie«, flüsterte Fraser ihr ins Ohr. »Betrachte es als Kompliment, dass er sich von dir bedroht fühlt, denn das ist ganz offensichtlich der Fall. Warum sonst sollte er solche Sprüche klopfen?«
Alice war erleichtert und froh über Frasers Anwesenheit. Diesmal hatte sie sich schon sicherer gefühlt als bei der letzten Auktion, und einige der anderen Farmer hatten sie sogar gegrüßt. Aber die Beleidigung hatte dennoch gesessen.
Eine Woche später gab Alice ein Angebot für Charlie Westons Grund mit dem Bach ab, das an MerryMaid angrenzte. Das Gebiet lag am Rande der schwarzen Ebene, und dank des Wassers vom Bach würden sich die nun gelben Wiesen sicher rasch in gutes Weideland verwandeln. Außerdem hatte Alice einige Arbeiter eingestellt, sodass sie nun Zeit hatte, sich mit ihren Experimenten zu beschäftigen. Noch in derselben Woche setzte sich Ross Gleeson, der Immobilienmakler, mit ihr in Verbindung, und sie leistete eine Anzahlung. Anschließend fuhr sie nach Sydney um einige Gerätschaften zu besorgen und sich von einem Bekannten, der beim Forschungsministerium arbeitete, ein paar Ratschläge zum Thema Schafzucht zu holen. Als sie zwei Wochen später noch immer nichts vom Immobilienmakler gehört hatte, stattete Alice, die darauf brannte, den Vertrag endlich abzuschließen, Gleeson einen Überraschungsbesuch ab. Ross Gleeson war zunächst ein wenig verdattert, fasste sich aber rasch und bat sie, Platz zu nehmen.
»Wie geht es Ihnen und MerryMaid, Alice? Immer noch vergnügt wie eh und je?« Obwohl Alice häufig geneckt wurde, hatte sie diesem Mann mit den zurückgekämmten Haaren und den eng beieinander stehenden Augen schon immer misstraut. Sie ärgerte sich nicht nur darüber, dass er sie mit dem Vornamen ansprach, sondern
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