Weites Land der Träume
»Eigentlich wollte ich dieses Schwein heute Abend am Spieß braten. Aber wenn ich mir Sie so anschaue, werde ich meine Pläne wohl ändern müssen.« Alice betrachtete gebannt sein spöttisches Lächeln und vergaß kurz ihre Schmerzen.
»Da kann man nur eines tun.« Sanft ließ er das kreidebleich gewordene Mädchen wieder zu Boden gleiten. »Ich werde Ihren Arm schienen und Sie dann auf meinem Pferd nach Hause bringen. Halten Sie noch einen Moment durch?«
Alice nickte. Die Welt schien in einem wirbelnden Nebel zu versinken.
Rasch ging Robert zu den grasenden Pferden hinüber, nahm ein Stück Stoff aus seiner Satteltasche und riss es in Streifen. Alice bemerkte kaum, was er tat, als er eine provisorische Schiene anfertigte und ihr den größten Stoffstreifen als Schlinge um den Hals hängte. Nachdem der junge Mann den beiden Pferden die Fußfesseln abgenommen hatte, band er Sherry an sein Pferd und führte die Tiere zu Alice.
»Halten Sie sich fest. Es könnte wehtun.« Alice biss die Zähne zusammen, während der Nebel um sie herum immer dichter wurde. Robert hob sie in seine Arme und setzte sie auf sein Pferd. Die unvermeidliche Erschütterung ließ ihr den Schmerz durch den Körper fahren. Als sie im Sattel saß, stützte er sie mit einem Arm und stieg dann hinter ihr auf.
»Tut mir Leid, das ließ sich nicht vermeiden. Geht es einigermaßen?« Es versetzte es ihm einen Stich ins Herz, als Alice in seinen Armen hin und her schwankte. Vor Schmerz traten ihr die Tränen in die Augen. Sie nickte nur und brachte keinen Ton heraus, und sie hatte Mühe, ihn anzusehen.
»Wie heißen Sie?« Die Frage klang wie aus weiter Ferne.
»Alice. Alice Ferguson«, stieß sie noch hervor, ehe sie erneut in Ohnmacht fiel.
»Alice Ferguson!«, rief Robert aus und hielt das schwankende Mädchen fest. »Doch nicht etwa die Alice von dem Rennen in Come-by-Chance? Kein Wunder, dass sie mir so bekannt vorkam. Sie ist ja noch viel hübscher als auf dem Foto.« Er betrachtete Alice und fühlte sich ein wenig albern, weil er mit sich selbst sprach. Die Verwandlung von dem mageren burschikosen Mädchen, das in der Lokalzeitung abgebildet gewesen war, zu der schönen jungen Frau in seinen Armen war wirklich erstaunlich. Dann riss er sich mit einem ärgerlichen Kopfschütteln aus seinen Tagträumen. Das Mädchen war verletzt, und er musste es nach Hause bringen. Hoffentlich würde Alice während des zweistündigen Heimritts nicht wieder zu Bewusstsein kommen, damit sie nicht so viel spürte. In raschem Schritttempo steuerte er auf Billabrin zu. Sherry, die auf keinen Fall von ihrer Herrin getrennt werden wollte, folgte, ohne Widerstand zu leisten.
Hin und wieder sah Robert nach Alice. Und jedes Mal erschreckten ihn die Gefühle, die das magere Kind, das eine Schönheit geworden war, in ihm auslöste. Sie sah so hilflos aus, wie sie da in seinen Armen lag. Der hässliche Bluterguss auf ihrer Stirn hob sich von der kreidebleichen Haut ab. Ihr pechschwarzes Haar kitzelte die Haut unter seinem offenen Hemd, und ihr weicher warmer Duft brachte seinen Puls zum Rasen. Als er vorsichtig ihre Lage veränderte, um ihren verletzten Arm zu entlasten, bewegte sie sich leicht. Mit besorgter Miene schlug er den schnellsten Weg nach Billabrin ein. Eine Gehirnerschütterung durfte man nicht auf die leichte Schulter nehmen.
Als die Pferde über die großen Weiden trabten, wachte Alice immer wieder auf. Ihr Kopf ruhte an der Schulter ihres Retters, und sein Arm umfasste sie wie ein Schraubstock, damit sie auch ja nicht hinunterfiel. Undeutlich nahm sie seinen männlichen Geruch und den Duft von frisch gewaschener Baumwolle wahr und fragte sich halb im Traum, wer ihr Retter wohl sein mochte. Als sie das Flussufer kurz vor Billabrin erreichten, musste sie sich wieder übergeben. Ihr Mund wurde mit weicher, feuchter Baumwolle abgewischt, und kühle, raue Finger drückten sich an ihre Schläfen, bevor sie wieder in ihrem Dämmerzustand versank. Als sie das nächste Mal erwachte, waren die Pferde stehen geblieben, und ihr Retter rüttelte sie sanft. Sie bewegte sich in seinen Armen und schlug die Augen auf. Sie befanden sich vor dem Haushaltswarenladen ihres Onkels.
»Wohnst du hier, Alice?« Alice nickte schwach. Aber sie konnte einfach nicht klar denken. Mit schmerzverzerrtem Gesicht wollte sie sich aufrichten und spürte, wie sein Arm sie zurückhielt.
»Du solltest stillhalten. Am besten bringen wir dich jetzt rein.« Alice entspannte sich. Obwohl ihr
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