Weites wildes Land
schon beim Timor-Meer angekommen. Also muß er umkehren.« »Aber was ist mit den anderen Schwarzen? Selbst Netta fürchtet sich vor ihnen.« »Unsere Schwarzen fürchten sich nicht vor denen, sondern vor merkwürdigen Geistern, und das ist etwas anderes. Machen Sie sich keine Sorgen. Der kommt schon zurück.«
* * *
Der Strand hatte etwas Geheimnisvolles an sich, als ob hier die Zeit stehen geblieben wäre. Es gab kein Leben, der Sand war unberührt, und an den Bäumen regte sich kein Blatt. Angesichts dieser Umgebung kamen Jimmy die jämmerlichen kleinen Menschen am Ufer wie winzige Punkte vor. Die untergehende Sonne spiegelte sich in den sanften Wellen und verlieh der Bucht einen rosigen Glanz. Jimmy atmete die frische salzige Luft ein, die, verglichen mit den stickigen Sümpfen im Landesinneren, so lebendig roch. Dann war Jimmy an der Reihe, sich Gurrumindjis Traumzeit anzuhören und etwas über die großen Krieger der Wadjiginy zu erfahren. Jimmy hatte noch nie jemanden von diesem verschwiegenen Volk gesehen, noch nicht einmal Fußabdrücke. Doch er schloß aus ihren Erzählungen, daß es viele sein mußten. In ihren Stämmen herrschte strenge Disziplin. Gurrumindji erzählte von einer Missionarssiedlung, die Weiße in einer anderen Bucht, die auch zu seinem Gebiet gehörte, eingerichtet hatten. Jimmy konnte sich nicht vorstellen, daß sie lange bestehen würde. Dann befragte Gurrumindji ihn nach den Weißen, die immer näher rückten und alle Gesetze der Natur brachen. Aber Jimmy konnte ihm keinen Rat geben. Er wollte sich nicht anmaßen, sich in ihr Leben einzumischen. Zwei der Männer brachten ihn im Einbaum auf dem ruhig dahinströmenden Fluß zurück an genau die Stelle, von der aus sie aufgebrochen waren. Dort wagten es die Krokodile, wie sie Jimmy erzählten, nicht, ihre Nester zu bauen. »Falsches Totem für Krokodile«, sagten sie, und Jimmy lachte. »Es muß ein ziemlich mächtiger Geist sein, wenn er sie verscheuchen kann.« Auf beiden Fahrten auf dem Fluß hatte er die Ungeheuer beobachtet, die sich am schlammigen Ufer sonnten oder sich lautlos mit der Strömung treiben ließen. Sie machten ihm angst, obwohl er das lieber für sich behielt. Sie hoch oben von den Klippen in Katherine aus zu beobachten ging ja noch an, aber auf gleicher Augenhöhe mit ihnen in einem leichten Einbaum an ihnen vorbeizufahren, hieß für ihn, das Schicksal herauszufordern. Also war er erleichtert, wieder sicheren Boden unter den Füßen zu haben und seiner Wege gehen zu können. Der Rückweg war weniger mühsam. Er schritt rasch und zielsicher aus und holte noch die Weste aus Kuhhaut, von der er erst den pudrigen Schimmel abbürsten mußte, der sich bereits darauf festgesetzt hatte. Als er in der Nähe des Hauses angelangt war, badete er in einer Lagune, zog wieder seine Hose an, und machte sich, nun mit Hose und Weste bekleidet, auf den Heimweg. Jimmy fürchtete sich nicht mehr vor dem Steinkreis, er hatte seinen Frieden gefunden. Nachdem Jimmy aufgebrochen war, fragten die jungen Männer Gurrumindji, warum er dem Fremden geglaubt und ihm das Meer gezeigt habe. Die Augen des alten Mannes leuchteten aus seinem zerfurchten, wettergegerbten Gesicht. »Das Blut weißer Männer klebte an seinen Händen«, antwortete er. »Aber warum hast du ihn dann nicht gebeten, bei uns zu bleiben? Er kennt ihre Sitten, er spricht ihre Sprache, er hätte uns helfen können.« Gurrumindji schüttelte den Kopf. »Das ist nicht möglich. Er ist in seine Traumzeit gegangen.«
* * *
Rory Jackson führte den Trupp an. Er war fest entschlossen, die Mörder seines Bruders zu finden. Dieser Conal von den Gilbert-Minen und Clem Starkey waren mehr tot als lebendig vom Fahrer eines Ochsenkarrens, der mit seinem Gespann auf dem Weg nach Pine Creek war, aufgelesen worden. Nur noch wenige Stunden, und es wäre auch mit ihnen vorbei gewesen. Die Buschräuber, die den Mord begangen hatten, hatten einen hübschen Vorsprung gewonnen, während Conal und Starkey durch die Dunkelheit irrten. Da der Busch überall gleich aussah, hatten sie sich bald verlaufen. Es war reines Glück gewesen, daß sie nach drei Tagen zufällig den Pfad wiedergefunden hatten. Dort hatte ihnen allerdings die Hitze den Rest gegeben. Deshalb hatte es auch einige Zeit gedauert, bis die Männer sich aus ihren unzusammenhängenden Sätzen etwas hatten zusammenreimen können. Sie waren beraubt worden, und Wachtmeister Ralph Jackson war tot! Erschossen! Die
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