Weites wildes Land
Lichtung und wartete, bis sie sich zeigten. Sechs Männer trugen einen hohen, nach oben hin spitz zulaufenden Kopfschmuck, doch der siebte, ein verhutzelter Greis mit einem grauen Bart, war ungeschmückt, bis auf die vielen Narben, die seine staubige Haut übersäten. Die hochgewachsenen, aufrechten Körper der jüngeren Männer waren weiß bemalt, doch die Muster waren fleckig und ganz anders als die verschiedenen Streifen und Punkte, die Jimmy bis jetzt untergekommen waren. Er wollte mehr darüber wissen. Als die Gestalten näher kamen, löste sich das Rätsel. Die Muster auf ihrer Haut waren keine Stammeszeichen, sondern eine Nachahmung der gefleckten Baumstämme und des Sonnenlichts ihrer Umgebung, so daß sie im Busch nicht auszumachen waren, solange sie nicht beschlossen, sich zu zeigen. Jaljurra war beeindruckt: Ganz gleich, ob sie Jäger oder Krieger waren, ihre Tarnung war sehr wirkungsvoll. »Wer bist du?« fragte der alte Mann mit befehlsgewohnter Stimme. Jimmy setzte sich und bedeutete ihnen, seinem Beispiel zu folgen, was sie argwöhnisch taten. »Ich bin Jaljurra«, antwortete er stolz. »Ich gehöre zum Volk der Whadjuck und bin von weither gekommen, um euer Land zu besuchen.« Von den Stämmen der Whadjuck hatten sie noch nie gehört, was ein gutes Zeichen war, da sie dann ja auch keine Feinde sein konnten. »Ich bin gekommen, um euch von unserem Land zu erzählen«, erklärte er. »Mehr als sechs Monate bin ich gewandert, um die Wadjiginy zu treffen. Seid ihr Wadjiginy?« Die Männer, die nicht wußten, was sie von diesem Fremden halten sollten, nickten und ließen ihn fortfahren. »Grenzt euer Land ans Meer?« fragte er. »Warum willst du das wissen?« »Weil ich am Ende meiner Reise angelangt bin. Möchtet ihr meine Geschichte hören?« Sie liebten Geschichten und all die Legenden, die gewöhnlich vom Vater an den Sohn und von der Mutter an die Tochter weitergegeben wurden. Diese Männer machten da keine Ausnahme. Zum Zuhören war immer Zeit genug. Sie glaubten ihm und schlossen aus seinen Geschichten, daß er ein Zauberer war, der mit einem Auftrag, den nur die Geister kannten, quer durch die ganze Welt reiste. Inzwischen war Jimmy fast soweit, daß er ihre Auffassung teilte: Die Geister begleiteten ihn in der Tat auf dieser Wanderung. Schließlich erklärten sie sich bereit, ihn mitzunehmen, um ihm ihr Meer zu zeigen. Ehe sie aufbrachen, wies er auf die Weste im Baum. »Woher stammt sie?« fragte er. Aber sie zuckten nur die Achseln. »Lassen wir sie hier. Ich nehme sie auf dem Rückweg mit«, sagte er. Zwei Tage lang war er mit den Wadjiginy-Männern in einem Einbaum unterwegs. Es war eine traumhaft schöne und schnelle Fahrt den Fluß hinab und dem Meer entgegen. Schließlich erreichten sie die Stelle, wo der Fluß in den riesigen Ozean mündete. Jaljurra war außer sich vor Glück. Er rannte über den sandigen Boden und betrachtete bewundernd den langen, weißen Strand, der sich zu einer hübschen, abgelegenen Bucht rundete. Das Meer war strahlend blau, und die Bäume, die den Strand säumten, leuchtend grün. Jimmys Begeisterung war ansteckend. Gurrumindji, der alte Mann, schickte die jungen Männer zum Fischen, damit sie ein Festmahl zubereiten konnten. Er selbst setzte sich zu Jaljurra, um gemeinsam mit ihm die Schönheit ihres Landes zu genießen. Außerdem wollte er von Jaljurra noch mehr von seinen Geschichten hören, worauf er als Anführer ein Recht hatte.
* * *
Sibell machte sich Sorgen. »Wo steckt Jimmy nur?« fragte sie Maudie. »Der hat sich aus dem Staub gemacht«, antwortete diese. »So was kommt öfter vor. Er taucht schon wieder auf.« »Aber er hat sein Pferd zurückgelassen.« »Deswegen wird er auch wieder auftauchen«, meinte Maudie lachend. »Aber er hatte das Gefühl, daß mit dem Steinkreis etwas nicht stimmte«, beharrte Sibell. »Und Netta hat eine Todesangst davor.« »Kümmern Sie sich nicht um die Schwarzen«, sagte Maudie. »Nichts als ein Haufen Unsinn. Und stellen Sie ihnen um Himmels willen keine Fragen über ihren Aberglauben. Bei so etwas können sie nämlich ziemlich unangenehm werden.« »Das habe ich auch nicht vor. Ich sorge mich nur um Jimmy. Meinen Sie nicht, wir sollten jemand losschicken, der nach ihm sucht?« »Wegen einem Schwarzen? Das meinen Sie doch wohl nicht ernst? Wenn er den Weg quer durch dieses verdammte Land gefunden hat, wird er sich auch hier nicht verlaufen. Außerdem ist er, wenn er nach Norden gegangen ist, bestimmt
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