Weites wildes Land
»Meine Güte, ein Prachtstück von einem Mann. Allerdings hätte ich gedacht, daß Sie inzwischen mit ihm verheiratet sind.« »Ich bin seine Angestellte«, erwiderte Sibell gereizt. »Ich muß schon sagen, er behandelt seine Angestellten wirklich großzügig.« Lorelei kicherte. »Wie geht es Ihnen?« erkundigte sich Sibell, um das Thema zu wechseln. »Ausgezeichnet. Meine Geschäfte laufen hervorragend. Ich habe mein eigenes Etablissement – es heißt Bijou –, und es ist sehr beliebt.« »Führen Sie es ganz allein?« fragte Sibell. Sie wußte selbst, daß das dumm klang, denn schließlich hatte Lorelei es ja gerade eben gesagt, aber Sibell fand das Gespräch zunehmend schwierig. »O ja, und ich habe sechs Mädchen. Alle sehr hübsch und ausgesprochen begabt.« Sie sprach vom Bijou, als wäre es eine Art Konzertsaal, doch Sibell hielt sich schon lange genug in dieser kleinen Stadt auf, um es besser zu wissen. Das Bijou war ein Ort, über den man nur hinter vorgehaltener Hand tuschelte. Sibell war froh, nicht auf Einzelheiten eingehen zu müssen. Sibell lauschte Loreleis Klatsch über Palmerston – sie schien alles und jeden zu kennen –, und dann kam Lorelei wieder auf Zack zu sprechen. »Warum sind Sie noch nicht mit ihm verheiratet? Die Art, wie er Sie anblickt… das sieht doch ein Blinder, daß er verrückt nach Ihnen ist.« Sibell nickte. »Ich weiß. Seit wir hier sind, ist er distanziert gewesen. Aber ich glaube, irgendwann wird er mich noch einmal fragen.« »Noch einmal? Also hat er schon um Ihre Hand angehalten? Sibell, Sie müssen verrückt sein! Lieben Sie ihn?« Sibell lächelte. »Allmählich glaube ich, ja. Ich fühle mich in seiner Gegenwart so wohl. Nichts kann ihn aus der Ruhe bringen… Aber ich will Zack nicht deshalb heiraten, weil ich muß, Lorelei.« »Wie bitte? Sind Sie etwa in anderen Umständen?« »O nein! Aber sehen Sie, mit den Hamiltons und mir ist das eine verzwickte Geschichte: Wenn ich ihn nicht heirate, muß ich gehen. Und ich habe nicht die geringste Ahnung, wohin. Und außerdem nicht genug Geld.« »Das alles sind gute Gründe, ihn zu heiraten«, meinte Lorelei. »Schmieden Sie das Eisen, solange es noch heiß ist.« Sibell schüttelte den Kopf. »Nein, das wäre nicht richtig. Dabei hätte ich kein gutes Gefühl.« »Ach, machen Sie mir doch nichts vor. Ich wette, Sie haben einen anderen Kerl in der Hinterhand.« »Es gibt wirklich einen anderen. Sehr gut aussehend… Sie wissen schon… groß, dunkel und stattlich – aber ich glaube, er ist mein Vertrauen nicht wert.« »Was soll das heißen, Sie glauben? Wenn Sie diesen Verdacht haben, ist bestimmt etwas Wahres dran. Vertrauen Sie ihrem siebten Sinn, und geben Sie ihm den Laufpaß.« Während Sam Lim den Tee und Bisquitroulade servierte, verstummte das Gespräch. Dann fuhr Lorelei wehmütig fort. »Bei mir ist es genau umgekehrt. Es gibt einen Mann, den ich sehr gern mag. Er möchte, daß ich mein Geschäft aufgebe und seine heimliche Geliebte werde. Und dabei scheffele ich das Geld mit vollen Händen. Also warum sollte ich das tun? Wenn er mich heiraten würde, wäre das etwas anderes.« Jetzt war es Sibell, ihr mit gutem Rat zur Seite zu stehen. »Werden Sie nicht seine Geliebte. Sorgen Sie dafür, daß er Sie heiratet.« »Das ist einfacher gesagt als getan«, wandte Lorelei ein. Sibell blickte sie nachdenklich an. »Kennen Sie sich mit Bodenschätzen aus?« »Nur so weit, daß die Männer ständig über ihre Minen sprechen. In den Minen steckt das schnelle Geld.« »Ich weiß, wo große Zinn- und Wolframvorkommen liegen, für die noch niemand die Schürfrechte angemeldet hat. Ich würde das gern tun, aber ich habe keine Ahnung, wie man das macht. Außerdem, glaube ich, braucht man dafür Geld.« Lorelei war neugierig geworden. »Na, Sie sind mir aber eine! Über die rechtliche Vorgehensweise könnte ich mich ohne Schwierigkeiten erkundigen, aber Sie bräuchten Kapital.« »Hätten Sie so viel Geld?« erkundigte sich Sibell. »Ich könnte es auftreiben«, meinte Lorelei vorsichtig. »Aber ich verleihe nichts. Wenn Sie tatsächlich eine ergiebige Mine haben, dann wäre es am besten, wenn wir uns auf eine gleichberechtigte Teilhaberschaft einigen. Das heißt, ich bekomme die Hälfte der Erträge.« »Das klingt nicht schlecht«, stimmte Sibell zu. »Ich habe eine Karte, in der die genaue Lage eingetragen ist. Und wie sieht der nächste Schritt aus?« »Wir treffen uns heute Nachmittag in der Stadt. Dann gehen wir zur
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