Weites wildes Land
»Morgen weiß es die ganze Stadt. Doch am meisten wurmt mich, daß ich eigentlich das Büro in Geraldton hätte übernehmen sollen. Wenn dieser Wahnsinnige sich nicht erschossen hätte, wäre ich jetzt dort oben eine große Nummer und könnte mir ein schönes Leben machen.« »O mein Gott, und die Farm ist dir auch durch die Lappen gegangen! Zur Zeit hast du wirklich eine Pechsträhne, alter Junge.« Charlie füllte die Gläser nach. »Und was nun?« »Ich habe nicht die leiseste Ahnung.« »Trink erst mal aus, und dann denken wir nach. Was ist denn mit Adelaide? Vielleicht solltest du nach Südaustralien ziehen. Hier bekommst du keinen Posten bei der Regierung mehr, und in diesen unsicheren Zeiten ist das die einzige Möglichkeit. Perth pfeift aus dem letzten Loch.« »Seit wann?« »Seit die Preise für Wolle gefallen sind. Der Staat ist bankrott oder steht zumindest kurz davor. Wir sind zu weit ab vom Schuß, um neue Märkte zu erschließen. Warum, glaubst du, bieten sie jedem eine Belohnung, der Gold findet? Sie sind verzweifelt.« »Mein Gott, ja«, murmelte Logan. »Ich möchte wetten, daß es dort draußen irgendwo Gold gibt, aber genauso gut könnte es auf dem Mond liegen.« Sie dachten über Logans Zukunft nach, bis die Flasche leer war, wobei ihnen immer neue Einfälle kamen. »Immerhin hat man dich ohne Papiere als Landvermesser eingestellt«, sagte Charlie. »Warum gibst du dich dann nicht als Geologe, Metallurge oder irgend so etwas aus? Als jemand, der sich mit goldführendem Quarz und solchen Sachen auskennt.« Logan sah ihn verwundert an und fragte sich, ob Charlie erraten hatte, daß er nicht über mehr Vorbildung verfügte als er, Charlie selbst. »Warum sollte ich mich als Geologe ausgeben?« »Weil die großen Bergwerksgesellschaften hier viel Geld in die Goldsuche stecken. Wenn du es schaffst, sie zu überzeugen, hast du einen guten Posten. Bergwerksfachleute sind rar in Perth, alter Junge. Setz dich einfach hin und warte ab; ich stelle unterdessen ein paar Erkundigungen an.« Nachdem Charlie fort war, ging Logan leise ins Schlafzimmer. Josie saß auf der Bettkante und betrachtete den fadenscheinigen Teppich, ganz als stünde sie am Rande einer Klippe und sei im Begriff hinunterzuspringen. Es machte ihn wütend, sie so dasitzen zu sehen. »Hast du ein bißchen geschlafen?« »Und geht es dir jetzt besser?« »Ich weiß nicht.« Als er ihr die Blumen überreichte, stiegen ihr wieder Tränen in die Augen. »Iris hat uns außerdem belegte Brote geschickt. Sie sehen sehr appetitlich aus. Komm und iß etwas.« »Ich habe keinen Hunger.« »Mir knurrt jedenfalls der Magen.« Er ging zurück zum Tisch und machte sich über die Brote her. Sie schmeckten ausgezeichnet. Also aß er alle auf. »Ich gehe und kaufe noch welche«, sagte er zu Josie. Doch sie lag mittlerweile wieder zusammengekrümmt auf dem Bett, und nichts wies darauf hin, daß sie ihm gehört hatte. Die weiße Überdecke hing ordentlich gefaltet über dem eisernen Fußende des Bettes wie eine kleine spanische Wand, die sie beide voneinander trennte. Ärgerlich verließ Logan das Zimmer und machte sich auf den Weg ins Wirtshaus.
* * *
Josie hatte dem leisen Stimmengemurmel gelauscht, bis sie eingeschlafen war. Doch als sie wieder aufwachte, sprachen die Männer lauter, und sie erkannte am Klingen der Gläser, daß Logan und Charlie dort draußen tranken. Sie lachten sogar. Josie setzte sich auf die Bettkante. Die Kühle der Nacht ließ sie erschaudern. Warum war Logan nur so gefühllos? Und dann wurde sie von neuen Ängsten überkommen. Sie hätte ihn zurückrufen sollen, doch stattdessen hatte sie ihm die kalte Schulter gezeigt. Wie dumm von ihr! Offenbar konnte er ihr Leid nicht ertragen. Noch während sie beschloß, daß es wohl das beste war, sich frisch zu machen und vor dem Besucher die Gastgeberin zu spielen, hörte sie eine warnende innere Stimme: »Laß dich nicht auch von ihm unter Druck setzen. Gegen Jack hast du dich nie gewehrt. Bei ihm mußt du endlich den Mund aufmachen.« Dann meldete sich eine weitere Befürchtung: »Ist er etwa auch ein Trinker? Du weißt doch, das passiert vielen Frauen: sie heiraten wieder die gleiche Sorte Mann und haben dann dieselben Schwierigkeiten wie vorher. Das ist doch altbekannt.« Aber dann kam er mit Blumen zurück, einem Strauß Veilchen, und angesichts von Charlies Fürsorge zerstreuten sich all ihre Bedenken. Sie brach in Tränen aus, was Logan allerdings wieder verärgerte. Also
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