Weizenwampe
aus eigener Produktion gedeckt werden, doch viele andere Nationen konnten ihre Bevölkerung nicht ernähren – Hungersnöte waren die Folge.
Heutzutage versuchen die Menschen, die Erntemengen durch neue Sorten zu steigern, bei denen verschiedene Weizensorten mit Gräsern gekreuzt und im Labor immer neue genetische Varianten erzeugt werden. Hybridweizen erfordert Techniken wie das Einfügen von Genen oder »Rückkreuzungen«, bei denen die neue Saat wieder mit der Elterngeneration oder mit anderen Weizen- oder Grassorten gekreuzt wird. Solche Versuche wurden zwar bereits 1866 von dem österreichischen Pfarrer und Botaniker Gregor Mendel beschrieben, setzten ernsthaft aber erst rund 100 Jahre später ein, als man Phänomene wie Heterozygotie und Gendominanz genauer durchschaute. Seit den frühen Versuchen von Mendel haben die Genetiker ausgefeilte Techniken entwickelt, um eine erwünschte Eigenschaft zu betonen. Dennoch bleibt die Züchtung ein aufwändiges Unterfangen mit zahlreichen Fehlschlägen.
Ein großer Teil des aktuell vertriebenen Hochleistungsweizens geht auf Sorten zurück, die im internationalen Zentrum zur Verbesserung von Mais und Weizen (IMWIC) entwickelt wurden. Dieses Zentrum am Fuß der Ostkette der Sierra Madre, östlich von Mexiko-Stadt, entstand aus einem landwirtschaftlichen Forschungsprogramm von 1943, mit dem die Rockefeller-Stiftung in Zusammenarbeit mit der mexikanischen Regierung dazu beitragen wollte, Mexiko landwirtschaftlich autark zu machen. Mit der Zeit erwuchs hieraus das eindrucksvolle und bewundernswerte Vorhaben, weltweit den Ertrag von Mais, Soja und Weizen zu steigern, um dem Hunger entgegenzuwirken. Mexiko ist ein ausgezeichneter Standort für die Pflanzenzucht, weil das dortige Klima zwei Wachstumsperioden pro Jahr ermöglicht, was die Zeit für die Entwicklung neuer Kreuzungen halbiert. 1980 waren diesen Bemühungen bereits Tausende neuer Weizensorten entsprungen, von denen die ertragreichsten seither in der ganzen Welt übernommen wurden, von Dritte-Welt-Ländern bis hin zu modernen Industrienationen.
Zu den praktischen Problemen, die während der Forschungsoffensive des IMWIC gelöst wurden, zählt das enorme Wachstum der Ähre an der Spitze der Pflanze beim Ausbringen größerer Mengen stickstoffreichen Düngers. Das Gewicht lässt den Halm abknicken und die Pflanze absterben, was die Ernte erschwert. Dem Genetiker Norman Borlaug wird die Entwicklung des ertragreichen Zwergweizens zugeschrieben, der aufgrund seiner geringen Höhe stabiler ist und damit weniger leicht zum Abknicken neigt. Hohe Halme sind im Vergleich hierzu weniger ökonomisch, denn mit kurzen Halmen reifen die Pflanzen schneller. Das wiederum verkürzt die Wachstumsphase und verringert den Düngemittelbedarf zur Erzeugung des ansonsten nutzlosen Halms.
Aufgrund seiner Erfolge in der Weizenzucht gilt Dr. Borlaug unter Landwirtschaftsexperten als »Vater der Grünen Revolution«, wofür er mit der Freiheitsmedaille des Präsidenten, der Goldenen Ehrenmedaille des Kongress sowie 1970 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wurde. Anlässlich seines Todes im Jahr 2009 schrieb das Wall Street Journal in seinem Nachruf: »Mehr als jeder andere Mensch bewies Borlaug, dass die Natur dem menschlichen Einfallsreichtum zur gezielten Wachstumssteuerung nicht gewachsen ist.« Dr. Borlaug durfte erleben, wie sein Traum wahr wurde: Sein Hochleistungsweizen trug tatsächlich dazu bei, den Hunger auf der Welt zu lindern. So konnte beispielsweise die Weizenernte in China von 1961 bis 1999 verachtfacht werden.
In den Vereinigten Staaten und auch in weiten Teilen der übrigen Welt hat dieser mexikanische Zwergweizen andere Weizensorten dank seiner unglaublichen Ertragsstärke inzwischen weitgehend verdrängt. Laut Allan Fritz, Professor für Weizenzucht an der Kansas State University, erbringt Triticum aestivum in Form von Zwergweizen und halbhohen Sorten mittlerweile 99 Prozent der weltweiten Weizenernte.
Schlechte Gene
Bei den hastigen Zuchtbemühungen, auch denen der IMWIC, wurde jedoch merkwürdigerweise übersehen, dass die Sicherheit dieser neuen Sorten von Weizen und anderer Feldfrüchte trotz erheblicher Veränderungen der genetischen Zusammensetzung weder an Mensch noch Tier getestet wurde. Man war so darauf versessen, die Erträge zu steigern, und vertraute ganz darauf, dass durch Kreuzungen nur sichere Lebensmittel entstehen würden. Der Hunger auf der Welt war so groß, dass diese Ergebnisse der
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