Weizenwampe
einfach gut. Glück gehabt!
Am nächsten Tag wiederholte ich mein Vorgehen mit derselben Menge Vollkornweizenbrot. Blutzucker bei Beginn: 84 mg/dl. Blutzucker nach dem Verzehr des »normalen« Weizenbrots: 167 mg/dl. Zudem wurde mir bald so übel, dass ich mich beinahe übergeben hätte. Diese unangenehme Wirkung hielt 36 Stunden an und war von Magenkrämpfen begleitet, die fast augenblicklich einsetzten und etliche Stunden andauerten.
Ich hatte eine unruhige Nacht mit lebhaften Träumen, konnte nicht klar denken und verstand am folgenden Morgen nicht die Untersuchungsberichte, die ich lesen wollte. Nachdem ich einige Absätze vier- oder fünfmal lesen musste, gab ich schließlich auf. Erst eineinhalb Tage nach meinem Selbstversuch ging es mir wieder gut.
Ich habe mein kleines Weizenexperiment überlebt, aber den Unterschied meiner Reaktion auf alten und modernen Weizen fand ich wirklich beeindruckend. Ganz offensichtlich war da etwas faul.
Natürlich kann diese persönliche Erfahrung nicht als klinische Studie gelten. Dennoch stellt sich die Frage nach dem Ausmaß der Unterschiede zwischen dem alten Weizen vor der genetischen Manipulation durch den Menschen und dem modernen Weizen.
In der Dritten Welt wurde der Anbau der ertragreichen neuen Weizensorten anfangs mit großer Skepsis aufgenommen, wobei die Einwände in erster Linie dem Tenor »Das haben wir aber noch nie so gemacht« entsprachen. Dr. Borlaug, der größte Fürsprecher der neuen Weizensorten, reagierte auf Kritik an den Hochleistungssorten mit einem Verweis auf die weltweite Bevölkerungsexplosion, die ohne High-Tech-Landwirtschaft nicht zu bewältigen sei. Die wundersam vermehrten Ernten in ehemals hungernden Nationen wie Indien, Pakistan, China, Kolumbien und anderen Ländern brachten die Neinsager schnell zum Schweigen. Die Erträge stiegen rasant an, verwandelten Knappheit in Überfluss und machten Weizenprodukte billig und somit zum Grundnahrungsmittel.
Kann man den Bauern vorwerfen, dass sie die ertragreichen, kürzeren Sorten bevorzugten? Schließlich haben gerade die Kleinbauern immer wieder zu kämpfen, um über die Runden zu kommen. Wer seinen Hektarertrag mit einer kürzeren Wachstumsphase und leichterer Ernte verzehnfachen kann, greift natürlich zu.
Durch moderne Gentechnik sind beim Weizen künftig noch stärkere Eingriffe möglich. Jetzt brauchen die Wissenschaftler nicht mehr nur Sorten zu kreuzen und das Beste zu hoffen, sondern können gezielt einzelne Gene einsetzen oder entfernen und damit die Resistenz gegen Krankheiten oder Pestizide, die Kälte- oder Dürretoleranz oder andere genetisch festgelegte Eigenschaften beeinflussen. Insbesondere kann man die Sorten schon genetisch so vorbereiten, dass sie zu bestimmten Düngemitteln oder Pestiziden passen. Das ist ein lohnendes Geschäft für die Agrarindustrie und für die Hersteller von Saatgut und Agrarchemikalien wie Cargill, Monsanto und ADM. Sie können bestimmte Weizensorten patentieren lassen, sich damit ihren Heimvorteil sichern und zugleich den Absatz der entsprechenden Pflanzenschutz- oder Düngemittel erhöhen.
Genetische Veränderungen beruhen auf der Annahme, dass das Einsetzen eines einzelnen Gens an der richtigen Stelle keine Auswirkungen auf das genetische Zusammenspiel für andere Eigenschaften hat. Dieses Konzept klingt bestechend, funktioniert aber nicht immer reibungslos. In den ersten zehn Jahren genetischer Eingriffe waren für die gentechnisch veränderten Pflanzen keinerlei Sicherheitstests vorgeschrieben, weil man keinen großen Unterschied zu den scheinbar so unproblematischen Kreuzzüchtungen sah. Mittlerweile sind auf öffentlichen Druck hin Kontrollinstanzen entstanden, die in Amerika der Gesundheits- und Lebensmittelbehörde FDA unterstehen, und genetisch modifizierte Produkte müssen vor der Markteinführung getestet werden. Kritiker der genetischen Modifizierung weisen auf Studien hin, die potenzielle Probleme mit genetisch modifizierten Pflanzen benennen. So zeigten Versuchstiere nach der Verfütterung von glyphosattoleranten Sojabohnen (die dem Bauern einen großzügigen Einsatz des Herbizids Roundup gestatten, ohne darunter zu leiden) im Vergleich zu Tieren, die konventionelle Sojabohnen bekamen, Veränderungen an Leber, Bauchspeicheldrüse, Darm und Hodengewebe. Der Unterschied wird auf eine unerwartete DNA-Umformung in der Nähe des eingefügten Gens zurückgeführt. Dadurch kam es zu Veränderungen der Proteine mit potenziell giftigen
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