Weizenwampe
landwirtschaftlichen Forschung auf den Markt kamen, ohne zu prüfen, ob sie dem Menschen womöglich schaden könnten.
Die Forscher gingen einfach davon aus, dass die Ergebnisse der Kreuzungsversuche dem Konsumenten zuträglich sein würden, weil sie schließlich im Grunde noch »Weizen« waren. Für Befürchtungen, dass durch Hybridisierung ungesunde Sorten entstehen könnten, hatten Landwirtschaftsexperten nur Kopfschütteln übrig. Schließlich züchten die Menschen schon seit Jahrhunderten Feldfrüchte und Tiere, wenn auch ungezielter. Wer zwei Tomatensorten kreuzt, bekommt nach wie vor Tomaten, nicht wahr? Wo also sollte das Problem liegen? Die Frage der Sicherheit für Mensch und Tier wurde daher nie gestellt, denn auch beim Weizen erwartete man, dass Abweichungen bei Glutengehalt und Glutenstruktur, Veränderungen bestimmter Enzyme und Proteine und eine verbesserte Resistenz gegen pflanzliche Krankheiten auf den Menschen keinerlei Auswirkungen haben würden.
Angesichts der Forschungsergebnisse der landwirtschaftlichen Genetik könnten solche Annahmen jedoch unbegründet oder schlichtweg falsch sein. Laut Proteinanalyse stimmen die Gene eines Hybridweizens mit den beiden elterlichen Genomen zu 95 Prozent überein. Fünf Prozent jedoch sind einzigartig und kommen bei keinem der beiden Elternteile vor. 5 Insbesondere die Glutenproteine des Weizens unterliegen bei der Hybridisierung beträchtlichen strukturellen Veränderungen. Bei einem Experiment fand man beim Nachwuchs 14 neue Glutenproteine, die in dieser Form bei keiner der beiden Ausgangssorten vorkamen. 6 Darüber hinaus finden sich in den modernen Sorten des Kulturweizens im Vergleich zu jahrhundertealten Sorten auch mehr Gene für Glutenproteine, die mit Zöliakie in Verbindung gebracht werden. 7
Wenn man diese Veränderungen mit den Zehntausenden an Kreuzungen multipliziert, denen der Weizen unterworfen wurde, besteht ein dramatisches Veränderungspotenzial bei genetisch festgelegten Merkmalen wie der Glutenstruktur. Bemerkenswert daran ist, dass die genetischen Modifikationen durch die Hybridisierung für die Weizenpflanzen selbst letztlich tödlich waren, denn die neuen Sorten erweisen sich in der Wildnis als weitgehend hilflos und können nur dank menschlicher Unterstützung überleben. 8
Amoklauf einer Kulturpflanze?
Ist es angesichts des genetischen Abstands zwischen modernem Weizen und seinen Vorgängern in der Evolution denkbar, dass alte Sorten wie Einkorn und Emmer ohne die unerwünschten Wirkungen im Zusammenhang mit anderen Weizenprodukten essbar sind?
Ich habe Einkorn einem Test unterzogen und zwei Pfund Vollkorn zu Mehl gemahlen, aus dem ich anschließend Brot gebacken habe. Eine zweite Portion Mehl habe ich aus biologisch angebautem Vollkornweizen gewonnen. Aus diesen beiden Mehlen habe ich nur mit Wasser und Hefe und ohne weitere Zusatzstoffe oder Zucker Brot gebacken. Das Einkornmehl sah dem üblichen Weizenvollkornmehl sehr ähnlich, doch nach der Zugabe von Wasser und Hefe war der Unterschied schnell zu sehen: Der hellbraune Teig ließ sich weniger gut kneten, war weniger dehnbar und klebriger als ein gewohnter Teig. Auch die Formbarkeit ließ zu wünschen übrig, und der Geruch erinnerte eher an Erdnussbutter als an den neutralen, gewohnten Teiggeruch. Der Einkornteig ging schlechter auf, während sich der normale Brotteig ungefähr verdoppelte. Das Ergebnis bestätigte die Aussage von Eli Rogosa: Das Brot schmeckte wirklich anders, nämlich schwerer und nussiger mit einem herben Nachgeschmack. Diesen Laib schlichten Einkornbrots konnte ich mir gut auf den Tischen der Amoriter oder Mesopotamier im dritten Jahrhundert vor Christus vorstellen.
Ich reagiere empfindlich auf Weizen. Im Interesse der Wissenschaft griff ich daher zum Selbstversuch und verzehrte an einem Tag 120 Gramm Einkornbrot, am nächsten dann 120 Gramm Brot aus heutigem Vollkornbioweizen. Ich war auf das Schlimmste gefasst, weil meine Reaktionen auf Weizen bisher ausgesprochen unangenehm ausgefallen waren.
Neben der Beobachtung meiner körperlichen Reaktionen bestimmte ich nach beiden Brotmahlzeiten auch regelmäßig meinen Blutzucker. Der Unterschied war frappierend.
Blutzucker bei Beginn: 84 mg/dl. Blutzucker nach dem Verzehr von Einkornbrot: 110 mg/dl. Das war mehr oder weniger die erwartete Reaktion auf den Genuss von Kohlenhydraten. Darüber hinaus gab es aber keine wahrnehmbaren Wirkungen – keine Müdigkeit, keine Übelkeit, keine Schmerzen. Es ging mir
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