Weizenwampe
Gewicht her weitgehend aus Kohlenhydraten, insbesondere Amylopektin A, aber erst das Klebereiweiß Gluten verleiht ihm seine ausgezeichneten Backeigenschaften. Gluten ist jene einzigartige Komponente, die den Teig so formbar macht, dass man ihn ziehen, ausrollen, flach klopfen und verdrehen kann. Solche Backgymnastik macht ein Teig aus Reismehl, Maismehl oder anderen Getreidesorten selten mit. Dank des Glutens kann der Pizzabäcker seinen Teig ausrollen, hochwerfen und in seine klassische, flache Form bringen, denn es gestattet dem Teig, kräftig aufzugehen, wenn die Hefegärung ihn mit Luftblasen durchsetzt. Die charakteristischen Teigeigenschaften der Mischung aus Weizenmehl und Wasser, bei denen die Lebensmitteltechnologen von Viscoelastizität und Kohesivität sprechen, beruhen auf dem Gluten. Weizen besteht zwar nur zu zehn bis 15 Prozent aus Protein, aber 80 Prozent von diesem Protein sind Gluten. Ohne dieses Eiweiß würde der Weizen genau die Fähigkeiten verlieren, mit deren Hilfe wir ihn zu Kuchen oder Pizza formen können.
An dieser Stelle möchte ich Ihnen mehr über Gluten erzählen (getreu dem Motto: »Du sollst deine Feinde kennen«). Gluten ist der Teil des Weizenkorns, in dem Kohlenstoff und Stickstoff gespeichert werden, die bei der Keimung zur Bildung neuer Weizenpflanzen benötigt werden. Das »Aufgehen« des Teigs bei Kontakt mit Hefe ist ohne Gluten nicht möglich und daher eine einzigartige Eigenschaft von Weizenmehl.
Der Begriff Gluten umfasst zwei Hauptgruppen an Proteinen, die Gliadine und die Glutenine. Die Gliadine als die Proteingruppe, welche die Immunreaktion bei Zöliakie am stärksten anregt, bestehen wiederum aus drei Untergruppen: α / β -Gliadine, γ -Gliadine und ω -Gliadine. Wie Amylopektin sind die Glutenine Polymere, also Ketten aus einfacheren Gebilden, die sich regelmäßig wiederholen. Die Klebfähigkeit des Teigs beruht auf den großen polymeren Gluteninen und damit auf einer genetisch verankerten Eigenschaft, die von den Saatgutherstellern gezielt als Qualitätskriterium herangezogen wird. 13
Je nach Weizenart kann die Glutenstruktur sehr unterschiedlich ausfallen. Die Glutenproteine des Einkorns unterscheiden sich zum Beispiel von denen des Emmer und diese sind wiederum anders als das Gluten des Weichweizens. 14, 15 Einkorn hat mit 14 Chromosomen das sogenannte A-Genom (die Genzusammenstellung) und damit den kleinsten Chromosomensatz. Deshalb variiert das Gluten hier auch am wenigsten. Emmer hingegen hat 28 Chromosomen. Das A-Genom wird durch ein B-Genom ergänzt, und damit gibt es auch mehr Unterschiede beim Gluten. Weichweizen wiederum hat 42 Chromosomen, nämlich das A-, B- und D-Genom, und damit schon vor jeglicher menschlicher Einflussnahme auf die Zuchtform das breitere Glutenangebot. Die Optimierungsbemühungen der letzten 50 Jahre haben beim Weichweizen zahlreiche zusätzliche Veränderungen an den Genen mit den Glutencodes hervorgebracht, insbesondere gezielte Modifizierungen am D-Genom zugunsten der Backeigenschaften. 16 Zugleich werden die Gene des D-Genoms am häufigsten als Quelle der Glutenvarianten identifiziert, die Zöliakie auslösen. 17
Es ist also das D-Genom des modernen Weichweizens, in dem sich die genetisch festgelegten Eigenschaften der Glutenproteine infolge diverser genetischer Eingriffe seitens der Nutzpflanzenforschung besonders umfassend verändert haben. Damit haben hier vermutlich auch viele auffällige Gesundheitsprobleme der Verbraucher ihren Ursprung.
Es geht nicht nur um Gluten
Gluten ist keineswegs der einzige Übeltäter, der im Weizenmehl lauert.
Zu den restlichen 20 Prozent Proteinen im Weizen zählen Albumine, Prolamine und Globuline, die ebenfalls je nach Sorte variieren können. Insgesamt existieren neben den Glutenarten über Tausend sonstige Proteine, die für bestimmte Funktionen wie den Schutz des Getreides vor Krankheitserregern, die Reaktion auf Feuchtigkeit und Trockenheit sowie die Vermehrungsfähigkeit zuständig sind. Da gibt es Agglutinine, Peroxidasen, α -Amylasen, Serpine und Acyl-CoA-Oxidasen, ganz zu schweigen von den fünf Formen der Glycerinaldehyd-3-Phosphat-Dehydrogenasen. Erwähnenswert sind auch β -Purothionin, die Puroindoline a und b sowie die Stärkesynthasen. Weizen ist nicht gleichzusetzen mit Gluten.
Als wäre diese wilde Mischung an Proteinen und Enzymen nicht schon genug, setzen die Lebensmittelhersteller zur Verbesserung der Konsistenz und Gärfähigkeit von Weizenprodukten auch
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