Weizenwampe
praktisch unbekannt war und allenfalls bei zwei von 65.000 Einwohnern auftrat. Westliche Ernährungsgewohnheiten mit Weizenprodukten, Gerstenbier und Mais ließen die Zahl der Schizophrenen um das 65-Fache in die Höhe schnellen. 2 Auf diesen Zahlen beruhte seine These einer möglichen ursächlichen Verbindung zwischen Weizenkonsum und Schizophrenie.
Mitte der 1960er Jahre strichen Dr. Dohan und seine Kollegen am Veteranenkrankenhaus in Philadelphia versuchsweise alle Weizenprodukte vom Speisezettel ihrer schizophrenen Patienten, ohne diese zuvor darüber zu informieren oder um Erlaubnis zu bitten. (Damals waren Information und Zustimmung der Teilnehmer noch nicht erforderlich. Erst später wurde das berüchtigte Tuskegee-Syphilisexperiment bekannt, das zu einem öffentlichen Aufschrei führte, weswegen die umfassende Information und Zustimmung der Beteiligten mittlerweile gesetzlich vorgeschrieben ist.) Nach vier Wochen ohne Weizen waren damals jedoch deutliche und messbare Veränderungen der wichtigsten Symptome zu vermerken: weniger auditive Halluzinationen, weniger Wahnvorstellungen und mehr Realitätsbewusstsein. Dann gestatteten die Psychiater ihren Patienten wieder mehr Weizenkonsum, woraufhin Halluzinationen, Wahnvorstellungen und Realitätsverlust prompt zurückkehrten. Erneuter Weizenentzug besserte die Symptome; bei Wiedereinführung des Weizens ging es den Patienten erneut schlechter. 3
Die Beobachtungen aus Philadelphia wurden von Psychiatern der englischen Universität Sheffield bestätigt, die zu ähnlichen Schlussfolgerungen kamen. 4 Seitdem gab es immer wieder Berichte über die vollständige Remission der Erkrankung, zum Beispiel bei einer 70-jährigen schizophrenen Dame, die seit 53 Jahren an Wahnvorstellungen und Halluzinationen litt und mehrfach versucht hatte, sich mit scharfen Gegenständen oder dem Trinken von Reinigungslösungen das Leben zu nehmen. Innerhalb von acht Tagen nach dem Absetzen von Weizen waren ihre Psychose wie auch die Selbsttötungsabsichten vollständig verschwunden.
Es ist zwar unwahrscheinlich, dass der Weizenkontakt eine Schizophrenie auslöst, doch die Beobachtungen von Dr. Dohan und anderen deuten darauf hin, dass Weizenkonsum mit einer messbaren Verschlimmerung der Symptome einhergeht.
Eine andere Erkrankung, bei der Weizen ein empfindliches Gehirn negativ beeinflussen kann, ist Autismus. Autistische Kinder haben Schwierigkeiten mit der sozialen Interaktion und Kommunikation. Ihre Zahl ist in den letzten 40 Jahren deutlich gestiegen. Mitte des 20. Jahrhunderts war Autismus noch selten, während heute eines von 150 Kindern betroffen ist. 6 Zunächst waren es nur einzelne Berichte, denen zufolge sich autistisches Verhalten nach Weizen- und Glutenverzicht besserte. 7, 8 Die bisher umfangreichste klinische Studie umfasst 55 autistische dänische Kinder, bei denen sich bestimmte Verhaltenszüge messbar besserten, nachdem sie kein Gluten (und kein Kasein aus Milchprodukten) mehr erhielten. 9
Es ist zwar nach wie vor umstritten, doch Hinweisen zufolge könnte auch ein erheblicher Anteil an Kindern und Erwachsenen mit Aufmerksamkeitsdefiziten (mit oder ohne Hyperaktivität) von einem Verzicht auf Weizen profitieren. Allerdings werden die Ergebnisse oft durch empfindliche Reaktionen auf andere Bestandteile der Ernährung wie Zucker, Süßstoffe, Zusatzstoffe oder Milchprodukte überlagert. 10
Es ist unwahrscheinlich, dass Weizenkonsum Autismus oder ADS (Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom) verursacht , doch wie bei der Schizophrenie kann er offenbar die typischen Symptome dieser Erkrankungen verschlimmern.
Auch wenn es uns heutzutage erschüttert, dass in Philadelphia nichtsahnende Patienten als Versuchskaninchen dienten, werfen die Ergebnisse doch ein klares Licht auf den Einfluss von Weizen auf die Gehirnfunktion. Aber warum verschlimmern sich Schizophrenie, Autismus und ADS bzw. ADHS überhaupt durch Weizen? Was hat es mit diesem Getreide auf sich, dass es Psychosen oder andere Verhaltensauffälligkeiten verstärkt?
Wissenschaftler des amerikanischen nationalen Gesundheitsinstituts (NIH) haben auf diese Fragen eine Antwort gesucht.
Exorphine: So manipuliert der Weizen unser Gehirn
An Gluten, dem wichtigsten Weizenprotein, simulierte Dr. Christine Zioudrou mit ihren Kollegen am NIH den Verdauungsprozess, um durchzuspielen, was geschieht, sobald wir Brot oder andere weizenhaltige Produkte verzehren. 11 Unter dem Einfluss des Magenenzyms Pepsin und der Magensäure
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