Weizenwampe

Triglyzeride. Der Fettgehalt von zwei Scheiben Vollkornbrot, einem Zwiebelbrötchen oder einer Laugenbrezel ist zu vernachlässigen. Doch Kohlenhydrate haben die einzigartige Fähigkeit, die Insulinausschüttung anzukurbeln, die wiederum die Synthese von Fettsäuren in der Leber auslöst, und prompt wird das Blut mit Triglyzeriden überschwemmt. 16 Je nach persönlicher genetischer Empfindlichkeit können Kohlenhydrate die Triglyzeride auf Hunderte bis Tausende Milligramm pro Deziliter erhöhen. Der Körper ist durchaus in der Lage, wochen-, monate- und jahrelang rund um die Uhr Triglyzeridspiegel von 300, 500 oder gar 1000 mg/dl aufrechtzuerhalten, vorausgesetzt, er bekommt ausreichend Kohlenhydrate.
    Die noch relativ neue Entdeckung der De-novo-Lipogenese (Fettneubildung), jener chemischer Vorgänge, mittels derer die Leber Zucker in Triglyzeride umwandelt, hat die Einstellung der Ernährungswissenschaft zu Lebensmitteln und deren Einfluss auf Lipoproteine und Stoffwechsel grundlegend verändert. Zu den entscheidenden Faktoren für den Beginn dieser Stoffwechselveränderungen gehört ein hoher Insulinspiegel im Blut. 17, 18 Das Insulin setzt die Neubildung von Fett in der Leber in Gang, wo Kohlenhydrate effizient in Triglyzeride verwandelt und anschließend in VLDL-Moleküle verpackt werden.
    Aktuell nehmen wir etwa die Hälfte aller Kalorien über Kohlenhydrate auf. 19, 20 Das frühe 21. Jahrhundert wird wohl einst als die »Ära der Kohlenhydrate« in die Geschichte eingehen. Diese Ernährungsform bedeutet, dass die De-novo-Lipogenese so extreme Ausmaße annehmen kann, dass das erzeugte überschüssige Fett sich in der Leber einlagert. Deshalb ist die sogenannte nicht-alkoholische Fettleber (NAFLD oder NAS) mittlerweile so verbreitet, dass die Gastroenterologen eigene Abkürzungen dafür geprägt haben. Die chronische Leberverfettung kann zur Leberzirrhose führen, einer irreversiblen Erkrankung ähnlich der »Säuferleber«, wenn auch ganz ohne Alkohol. 21
    Gänse und Enten können ihre Leber ebenfalls mit Fett vollstopfen, das ihnen gestattet, während des jährlichen Vogelzugs ohne größere Nahrungsaufnahme lange Strecken zurückzulegen. Bei diesen Wasservögeln ist die Fähigkeit also ein Ergebnis des evolutionären Anpassungsprozesses. Mastbetriebe nutzen diesen Umstand zur Produktion fetter Gänse- und Entenleber: Sie füttern die Tiere mit Kohlenhydraten aus Getreide und erhalten damit Foie gras (Stopfleber) und Entenleberpastete, die wir dann auf frisches Baguette streichen. Für den Menschen jedoch ist eine Fettleber die unphysiologische und krankhafte Folge der Aufforderung, mehr Kohlenhydrate zu essen. Oder halten Sie eine Stopfleber im Bauch ernstlich für erstrebenswert?
    Letztlich ist das auch logisch: Kohlenhydrate sind eine Nahrungsgruppe, welche die Fetteinlagerung begünstigt, um in Zeiten der Fülle Speckvorräte anzulegen. Ein Steinzeitmensch, der gerade sein frisch erlegtes Wildschwein verzehrt hat und die Mahlzeit mit ein paar wilden Beeren und Früchten beschließt, kann die zusätzlichen Kalorien speichern, falls ihm in den kommenden Tagen oder Wochen kein Jagdglück beschert ist. Das Insulin hilft in so einem Fall, die Reserven in Form von Triglyzeriden in der Leber zwischenzulagern und dann als Energiepaket ins Blut abzugeben, damit bei einer gescheiterten Jagd dennoch Energie zur Verfügung steht. Heutzutage jedoch setzt der Kalorienstrom, besonders der aus Kohlenhydraten, niemals aus, sondern fließt endlos weiter. Damit ist heute jeder Tag eine Zeit der Fülle.
    Die Ansammlung überschüssigen Bauchfetts verschärft diese Situation, denn Bauchfett ist ein Triglyzeridspeicher, der dummerweise eine permanente Einlagerung und Abgabe von Triglyzeriden hervorruft, so dass diese Fette immer wieder ins Blut gelangen. 22 Das führt dazu, dass die Leber höheren Triglyzeridmengen ausgesetzt wird, was wiederum die VLDL-Produktion anregt.
    Beim Diabetes kann man sehr schön beobachten, was ein hoher Kohlenhydratverzehr (also auch eine Ernährung mit »viel gesundem Vollkorn«) anrichtet. Bei der Mehrheit der erwachsenen Typ-2-Diabetiker wird die Erkrankung durch übermäßigen Kohlenhydratverzehr ausgelöst, während die hohen Blutzuckerwerte und die Diabeteserscheinungen bei einer Reduktion der Kohlenhydratzufuhr in vielen, wenn nicht gar den meisten Fällen wieder zurückgehen. 23
    Diabetes geht mit einer typischen »Lipid-Triade« einher: niedriger HDL-Wert, hohe Triglyzeride, kleine