Weizenwampe
jemand mit 75 Jahren einen Herzinfarkt oder Schlaganfall erleidet oder mit 87 noch auf Mallorca den Blick aufs Meer genießt.
Besonders auffällig ist die Rolle der kleinen LDL-Partikel bei Herzkrankheiten, ob Herzinfarkt oder Probleme der Herzkranzgefäße durch Arteriosklerose mit Eingriffen wie Angioplastie, Stent oder Bypass. 1 Aus meinen Erfahrungen mit mehreren Tausend Herzpatienten kann ich sagen, dass bei fast 90 Prozent ein mäßiges bis starkes Auftreten kleiner LDL-Partikel zu verzeichnen ist.
Für die Pharmaindustrie war es allerdings viel praktischer und einträglicher, verallgemeinernd den »hohen Cholesterinspiegel« anzuprangern. Cholesterin hat mit Arteriosklerose allerdings wenig zu tun, sondern ist nichts anderes als ein praktischer Messwert aus einer Zeit, als die Klassifizierung und Messung der verschiedenen Lipoproteine (das heißt, fetthaltige Proteine) im Blut, die zu Verletzungen, arteriosklerotischen Plaqueablagerungen und schließlich Herzinfarkt und Schlaganfall führen, kaum möglich war.
Es geht also gar nicht ums Cholesterin, sondern um bestimmte Moleküle, die Arteriosklerose hervorrufen. Heute können wir Lipoproteine messen und unterscheiden, womit die Jagd auf das Cholesterin wie die Behandlung von Magengeschwüren mit Kamillentee Medizin von gestern ist.
Eine entscheidende Molekülgruppe sind die Lipoproteine mit sehr geringer Dichte (VLDL oder Very-Low-Density-Lipoproteine). Die Leber schnürt verschiedene Proteine (wie das Apoprotein B) und Fette (zumeist Triglyzeride) zu VLDL-Molekülen zusammen, die so heißen, weil sie aufgrund ihres hohen Fettgehalts eine geringere Dichte haben als Wasser (deshalb schwimmt zum Beispiel das Öl in der Salatsauce über dem Essig). VLDL-Moleküle sind dann die ersten Lipoproteine, die ins Blut gelangen.
Diverse Veränderungen im Blutstrom sind nun ausschlaggebend dafür, ob aus diesen VLDL-Molekülen große oder kleine LDL-Moleküle werden, und darauf hat die Zusammensetzung der Ernährung interessanterweise entscheidenden Einfluss. Wir können also nicht entscheiden, wer zur eigenen Familie gehört, aber wir können problemlos beeinflussen, welchen Nachwuchs unsere VLDL-Moleküle hervorbringen – und so mitentscheiden, ob wir Arteriosklerose bekommen oder nicht.
Müsli macht Mini-LDLs
»Trink mich.« Und Alice schluckte den Trank und war plötzlich nur noch zehn Zoll hoch. Jetzt passte sie durch die Tür und konnte mit dem verrückten Hutmacher und der Cheshire-Katze herumtollen.
Für die LDL-Moleküle entsprechen das Kleiebrötchen oder das morgendliche Müsli genau diesem »Trink mich«-Trank. Partikel von anfangs vielleicht 29 nm Durchmesser schrumpfen nach dem Genuss solcher Weizenprodukte auf 23 bis 24 nm. 2
So wie Alice durch die kleine Tür treten konnte, gestattet die geringere Größe auch den LDL-Molekülen eine abenteuerliche Reise, die normale LDL-Moleküle nie antreten könnten.
Bei den LDL-Molekülen legt die Größe sozusagen die Persönlichkeit fest: Große LDL-Moleküle entsprechen dem phlegmatischen Beamten, der sich Zeit lässt, weil er auf jeden Fall sein Gehalt bezieht und der staatlich garantierten Pension entgegensehen kann. Kleine LDL-Moleküle sind asoziale Chaoten im Kokainrausch, die sich nicht an die Regeln halten und aus Jux und Tollerei wahllos Schäden anrichten. Wer also im Labor das perfekte Molekül für die Erzeugung klebriger Plaques in den Wänden der Blutgefäße herstellen möchte, bräuchte nur die kleinen LDL-Moleküle zu züchten.
Große LDL-Moleküle werden von speziellen Rezeptoren in der Leber aufgenommen und auf ganz normalem Wege abgebaut. Die kleinen LDL-Moleküle hingegen werden von diesen Rezeptoren schlecht erkannt und können deshalb viel länger im Blut verweilen. So haben sie mehr Zeit, Plaques aufzubauen, nämlich im Durchschnitt fünf Tage im Vergleich zu den drei Tagen großer LDL-Partikel. 3 Selbst wenn also gleich viele große wie kleine LDL-Moleküle entstehen, sind die kleinen aufgrund ihrer Langlebigkeit im Nu in der Überzahl. Hinzu kommt, dass die kleinen LDL-Moleküle auch von entzündungsfördernden weißen Blutkörperchen (Makrophagen) in den Arterienwänden aufgenommen werden. Dieser Vorgang lässt arteriosklerotische Plaques rasch anwachsen.
Antioxidanzien sind Ihnen mit Sicherheit ein Begriff. Oxidationsprozesse sind Teil der Alterung. Sie hinterlassen oxidativ veränderte Proteine und andere Gebilde, die Krebs, Herzkrankheit und Diabetes nach sich ziehen
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