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Welch langen Weg die Toten gehen

Welch langen Weg die Toten gehen

Titel: Welch langen Weg die Toten gehen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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beschlagene Glas der Duschkabine jemanden draußen stehen.
    »Pal, bist du das?«, sagte ich und öffnete die Tür.
    Ja, es war Pal, aber Pal junior. Er stand dort, nackt, und holte sich einen runter.
    Wir sahen uns lange an. Dann stürzte er sich auf mich und drängte mich zurück in die Duschkabine.
    Ich weiß nicht, was geschehen wäre, aber zum Glück war er so erregt, dass bereits der Versuch, sich zwischen meine Beine zu zwängen, ihn zum Höhepunkt brachte. Ich spürte, wie er zuckend gegen mich kam. Er brüllte meinen Namen, ob aus Freude oder Frust, weiß ich nicht. Mit aller Kraft schubste ich ihn weg, und er stand da und spritzte gegen mich ab, als wünschte er sich, es wären Kugeln.
    Ich verlor völlig die Nerven, brüllte ihn an, schrie nur noch, bis ich allmählich wieder die Kontrolle über mich gewann. Ich packte ein Handtuch, wickelte es um mich und sagte ihm, er sei ein widerlicher kleiner Scheißer und legte ein Verhalten an den Tag, das sein Vater weder gutheißen noch auf sich beruhen lassen würde. Ich hatte jetzt keine Angst mehr – er stellte keine sexuelle Bedrohung mehr da –, und noch während ich ihn anschrie, ging mir durch den Kopf, dass ich wie eine aufgebrachte Doyenne der Keuschheitsliga klingen musste. Aber ich wusste nicht, wie ich sonst mit der Situation hätte umgehen sollen.
    Pal war wesentlich selbstbeherrschter.
    Er lächelte nur und sagte: »Wenn du das tust, sag ich Dad, was wirklich passiert ist, dass du nämlich über mich hergefallen und dann sauer geworden bist, weil ich dich zurückgewiesen habe.«
    »Und du meinst, dass er dir das glaubt?«, wollte ich von ihm wissen.
    »Warum nicht? Du stehst mir altersmäßig sehr viel näher als ihm«, erwiderte er. »Außerdem, gib es doch zu, ist es gar nicht so weit hergeholt, oder? Tu nicht so, als hättest du dir noch nie vorgestellt, wie es mit mir wäre. Also, wie wär’s mit uns mal? Bleibt ja in der Familie, was?«
    Ich stürzte mich auf ihn und hätte ihm am liebsten sein dreckiges, selbstgefälliges Grinsen aus dem Gesicht gekratzt. Was wahrscheinlich dumm war, aber er schlug nicht zurück, sondern duckte sich nur weg, drehte sich um und ging. Ein paar Minuten später hörte ich ihn die Treppe hinuntergehen, ich rannte zum Schlafzimmerfenster und sah, wie er über die Einfahrt schlenderte. Er drehte sich sogar um und winkte mir zu!
    In diesem Augenblick war ich felsenfest entschlossen, Pal senior alles zu erzählen. Doch als er am Abend nach Hause kam, hatte ich nicht mehr die Kraft dazu. Wie würde er reagieren, wenn er die beiden widersprüchlichen Versionen der Geschichte zu hören bekam? Würde er sich erinnern, dass ich mich, als es um die Studienwahl ging, auf die Seite seines Sohnes gestellt hatte, würde dies bei ihm den Samen des Zweifels säen? Er musste mir ganz und gar und unbedingt glauben, alles andere wäre zwecklos gewesen.
    Er war in schlechter Stimmung, als er nach Hause kam, weshalb es mir leichter fiel, ihm nichts zu erzählen. Jahrelang war er Herr des Unternehmens gewesen, die treibende Kraft hinter allem. Nun wurde er zunehmend frustrierter, wenn er feststellen musste, wie alle wichtigen Entscheidungen ohne ihn getroffen wurden. Auch das trieb einen Keil zwischen uns.
    Tony war in Mid-Yorkshire geblieben, um in der Übergangsphase A-Ps Neuerwerbung zu beaufsichtigen, und ich arbeitete auch nach meiner Heirat weiterhin als seine persönliche Assistentin, da ich davon ausging, dass sein Engagement nur kurzfristig wäre und er bald in die Staaten zurückkehren würde. Doch aus dem einen oder anderen Grund schien sich Tony nach einigen Jahren als Unternehmensleiter von Ash-Mac in den Job eingefunden zu haben und hatte sogar außerhalb von Cothersley ein Haus erworben. Wie gesagt, ich arbeitete noch für ihn, hatte aber klar gemacht, dass mein Hauptinteresse Helen galt. Tony meinte, das sei kein Problem, er hätte mich sogar gefeuert, wenn ich es anders gehalten hätte, was sehr freundlich von ihm war. Eine Weile lang schien sich Pal damit abgefunden zu haben, aber je größer seine Enttäuschung darüber wurde, dass man ihn, wie er meinte, ausgebootet hatte, umso mehr schien er es mir übel zu nehmen, dass ich in die Entscheidungsprozesse bei Ash-Mac stärker eingebunden war als er.
    Alles in allem gesehen war es daher besser, wenn ich den Mund hielt und in Zukunft noch stärker darauf achtete, dass Pal junior mir nicht zu nahe kam.
    Das sollte leichter werden, als ich gehofft hatte. Er

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