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Welch langen Weg die Toten gehen

Welch langen Weg die Toten gehen

Titel: Welch langen Weg die Toten gehen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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gut? Ganz recht, Tony, das ist unser Zuhause.«
    »Ja, sicher. Nur manchmal, da fühle ich mich hier fremder als überall sonst. Nein, tut mir leid. Damit meine ich nicht dich. Du bist wunderbar. Ich meine dieses beschissene Land. Vielleicht meine ich einfach nur, dass alle guten Amerikaner jetzt in Amerika sein sollten. Wir sind doch gute Amerikaner, oder, Kay?«
    »So gut es uns möglich ist, Tony. Mehr kann keiner erwarten.«
    »Ich glaube, es wird eine Zeit kommen, da wird man verdammt noch mal viel mehr erwarten«, sagte er.
    Abrupt erhob er sich, zog seinen schwarzen Morgenmantel aus und stand nackt vor ihr, nur um den Hals trug er eine dünne Goldkette, an der als Glücksbringer das Purple Heart seines Vaters aus dem Zweiten Weltkrieg hing.
    »Nimm’s nicht so ernst«, sagte er. »Das ist nur die männliche Menopause. Ich könnte einem Seelenklempner fünfhundert Dollar pro Sitzung zahlen, dann sagt er mir das Gleiche. Grüß Helen von mir.«
    Damit drehte er sich um und sprang in den Swimmingpool.
    Er war Ende vierzig, sein stämmiger Körper, seine durch jahrelanges Hanteltraining ausgeprägten Muskelpartien ließen so gut wie nicht erkennen, dass das Alter seinen Tribut forderte.
    Er kraulte eine Bahn, vollführte eine Rollwende und kam mit mächtigen Delphinzügen zurück. Am Bahnende setzte er die weit gestreckten Arme am Beckenrand auf und stemmte sich in einer fließenden Bewegung aus dem Wasser.
    Wenn er das nicht mehr macht, dachte sich Kay, werde ich wissen, dass es mit ihm körperlich bergab geht.
    Wie es allerdings um seine psychische Verfassung stand, wusste sie nicht zu sagen, auch wenn sie ihn noch so eindringlich musterte.
    Sie sah ihm nach, wie er mit energischen Schritten den Raum verließ. Nachdem er durch die Tür verschwunden war, drehte sie den Laptop zu sich und begann zu lesen.
    Ashur-Proffitt & die Tarnkappe
    Ein modernes Märchen
    Es waren einmal ein paar coole Typen im mächtigsten Land der Welt, die beschlossen, dass es doch nett wäre, Waffen an einen Volkshaufen zu verkaufen, den sie gar nicht mochten und der sich Iraner nannte, und den Profit aus dem Verkauf einem anderen Volkshaufen zukommen zu lassen, den sie sehr mochten und der sich Contras nannte. Zur gleichen Zeit, auf der anderen Seite des großen Wassers, im zweitmächtigsten Land der Welt, beschlossen andere coole Typen, wie nett es doch wäre, Waffen an einen Volkshaufen zu verkaufen, der sich Iraker nannte und den keiner so recht mochte, nur dass sie gegen einen Volkshaufen kämpften, der sich Iraner nannte und den überhaupt keiner mochte. Aber es störte die coolen Typen in den beiden größten Ländern der Welt nicht, dass sie nicht wussten, was die jeweils anderen machten, weil es ja auch in ihrem jeweiligen Land Typen gab, die das machten, und wie Mr. Alan Clark aus dem mächtigsten Land der Welt später mal anmerkte: »Den Interessen des Westens ist am meisten gedient, wenn sich Iran und Irak gegenseitig bekämpfen, je länger, desto besser.«
    Aber das wirklich Erstaunliche an diesen Typen von beiden Seiten des großen Wassers war, dass sie vollkommen unsichtbar waren – das heißt, obwohl alles, was sie taten, in klarem Widerspruch zu den eigenen Gesetzen stand, konnte niemand, der in den beiden mächtigsten Ländern der Welt das Sagen hatte, sehen, was sie taten!
    Sie scrollte zum Ende des Textes, das noch ein gutes Stück entfernt war. Tony hatte Recht, was den Stil betraf. Einst mochten diese geschraubten Sätze vielleicht als cool gegolten haben. Jetzt waren sie nur noch öde und zäh, was aus A-Ps Sicht zu begrüßen war. Nur der letzte Absatz erregte ihr Interesse.
    Es gab einmal eine Zeit, da konnte man sagen, man handle aus patriotischen Gründen – der Feind meines Feindes ist mein Freund, also behandle ihn auch so, dann lehn dich zurück und sieh zu, wie sich die beiden die Köpfe einschlagen –, aber das ist vorbei. Ob Falke oder Taube, ob Republikaner oder Demokrat, jeder gute Amerikaner weiß, dass es eine Grenze gibt, und jeder, der Waffen über diese Grenze schickt, sollte wissen, auf wen sie gerichtet werden. Ashur-Proffitts Motive reichen nicht mehr aus. Es ist an der Zeit, dass wir diese Typen fragen, auf welcher Seite sie eigentlich zu stehen meinen.
    Sie lehnte sich zurück und dachte an Tony, an sein Eingeständnis, dass er sich hier fremd fühle. Glaubte er wirklich, sie ließe sich überreden, hier die Zelte abzubrechen und in den Westen zu gehen, jetzt, nachdem die Zwillinge

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