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Welch langen Weg die Toten gehen

Welch langen Weg die Toten gehen

Titel: Welch langen Weg die Toten gehen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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sie. »Bevor Sie gehen, können Sie mir nicht was … Sie wissen schon. Viele im Dorf haben Pal gemocht … es wäre eine große Hilfe …«
    »Alles, was ich Ihnen sagen kann«, begann Pascoe vorsichtig, »ist, dass Mr. Maciver seinen Schussverletzungen erlegen ist. Es ist noch früh, aber im Moment gibt es keinen Grund anzunehmen, dass jemand außer ihm beteiligt war. Tut mir leid.«
    »Danke«, sagte sie.
    In ihrer Traurigkeit sah sie wie eine einsame, verlassene Teenagerin aus. Emotional war sie es vielleicht, ein Kind, das sich in seinen charismatischen Boss verknallt hatte.
    Er wandte sich zur Tür und ließ den Blick über die ausgestellten Dinge wandern. Dort drüben stand eine hübsche Jugendstilvase. Würde Ellie noch immer Rabatt bekommen, jetzt, nachdem Pal tot war …?
    Also wirklich!, tadelte er sich selbst. Mit Gedanken wie diesen verließ er seine professionelle Objektivität in Richtung persönliche Gefühllosigkeit.
    Aber eine hübsche Vase war es doch.

4
    Wie der Vater, so der Sohn
    T ony Kafka saß im Zug und sah draußen vor dem Fenster England an sich vorüberziehen, eine öde Meile nach der anderen.
    Er war jetzt … wie lange hier? Fünfzehn, sechzehn Jahre?
    Zu lange.
    Er kannte viele Amerikaner, denen es hier gefiel. Wenn man sie ließ, schwadronierten sie ohne Ende vom gemächlichen Leben, von der größeren Sicherheit, dem historischen Reichtum, der kulturellen Vielfalt, den Bildungswerten, der schönen Landschaft. Wenn man sie darauf hinwies, dass die Wahrscheinlichkeit, in London überfallen zu werden, ebenso hoch war wie in New York, dass sich zu Hause die Anzeichen mehrten, dass man die Drogenkultur hinter sich lasse, während die Briten gerade erst damit anfingen, dass man den ganzen beschissenen Lake District einfach im Grand Canyon versenken könnte, ohne dass es dort auffallen würde, wurde man zugeschwallt über das menschliche Maß der Dinge,
small is beautiful
, den ganzen Scheiß eben. Aber ließ man sich zu einer Diskussion hinreißen und begann man mit der Aufzählung der Negativposten, die gegen das Königreich sprachen – miserabler öffentlicher Nah- und Fernverkehr, grottenschlechte Hotels, erbärmliches Essen, beschissenes Wetter –, dann erwiderte mit ziemlicher Sicherheit immer einer: »Wenn du das so siehst, warum steigst du nicht in den nächsten Flieger und machst dich auf in den Westen?«
    Es war ein Totschlagargument. Dem war nichts entgegenzusetzen außer ein schwaches Lächeln, bevor man das Feld räumte. Er hatte darauf keine Antwort oder, besser gesagt, keine Antwort, die es ihm wert gewesen wäre zu äußern.
    Er war gekommen, um seinen Job zu machen. Nach fünf Jahren war der Job erledigt, alles lief wie am Schnürchen. Nichts hätte ihn also davon abhalten können, alles seinem außerordentlich effizienten Stellvertreter Tom Hoblitt auf den geräumigen Schoß zu knallen.
    Damals hatten sie gewollt, dass er zurückkehrte. Eine große Zukunft hätte zu Hause auf ihn gewartet. Und er war bereit gewesen. Damals …
    »Noch Kaffee, Sir?«
    Der Zugbegleiter stand neben ihm, höflich und aufmerksam. Der Service an diesem Morgen war exzellent, der Zug pünktlich. War es nicht immer so? Nahm man sich genügend Zeit, um die alltäglichen Verspätungen mit einzuberechnen, lief alles hervorragend.
    Traf man keine Vorsorge, waren Schwierigkeiten garantiert. Genau wie im Leben.
    Er trank seinen Kaffee, der ebenfalls nicht schlecht war, und überließ sich erneut seinen Gedanken.
    Kay. Ihretwegen war er geblieben. So simpel ausgedrückt, stieß er damit allerdings nur auf Unverständnis. Wäre sie Britin, hätte man es ja verstehen können, hörte er die anderen sagen. Aber sie war Amerikanerin, warum also um alles in der Welt …?
    Dann musste er erklären, warum es eben nicht so einfach war. Seine Beziehung zu Kay war nie einfach gewesen.
    Kümmere dich um die Menschen, das war die Botschaft, die sein Vater ihm eingetrichtert hatte. Kümmere dich um die Menschen, vor allem um die Kinder. Wie oft hatte er seinen Vater die Geschichte erzählen hören, wie er, herumirrend, noch nicht einmal der Landessprache mächtig, aufgelesen und von diesem großen Land aufgenommen worden war, das ihm ein Zuhause, eine Fahne und eine Ausbildung hatte zukommen lassen?
    Als Junge hatte er diese Geschichte gar nicht oft genug hören können. Später, als er älter und rebellischer wurde, wagte er sie in Zweifel zu ziehen, nicht direkt, nur mittelbar, indem er sagte: »Ja, du

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