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Welch langen Weg die Toten gehen

Welch langen Weg die Toten gehen

Titel: Welch langen Weg die Toten gehen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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antwortete Novello, die das Signal durchaus richtig interpretierte. »Hab ich was gesagt? Soll ich das Zeug jetzt wieder runterbringen?«
    »Nein«, sagte Pascoe. »Legen Sie es dort in den Schrank. Ich werde es später Mr. Ireland geben.«
    »Mr. Ireland?«
    »Ja. Wenn wir davon überzeugt sind, dass kein Verbrechen vorliegt, fällt ein Selbstmord, ob Kopie oder nicht, in die Zuständigkeit der Uniformierten.«
    »Und sind wir davon überzeugt?«
    Pascoe antwortete nicht sofort. Sein Problem war, dass er nach wie vor nicht wusste, ob sein Zögern von mehr als nur seinen Bedenken gegenüber dem Dicken herrührte, der alles niederzuwalzen versuchte, um ihn von dem Fall fernzuhalten.
    Allerdings zweifelte er keine Sekunde daran, dass sich in den Lehrsprüchen der Weisen von Konfuzius bis Rochefoucauld zahlreiche Variationen zu dem Thema finden ließen, dass jene, die eine Dampfwalze aufzuhalten versuchten, von ihr platt gemacht wurden. Vermutlich war auch Pal Maciver junior in den traurigen Genuss von Dalziels Macht gekommen. So viel Hass aus seiner Aussage auch herauszuhören war, nichts davon war an die Öffentlichkeit gedrungen.
    Wie ging es nun weiter? Er nahm an – nein, er war sich dessen sicher –, dass er bereits die Grenze überschritten hatte, die Dalziel mit seinen Anweisungen, aufzuräumen und dann alles Paddy Ireland auf den Schreibtisch zu knallen, gezogen hatte. Es war gefährlich, noch weiter zu bohren, wäre es aber auch zweckdienlich?
    Novello musterte ihn eindringlich. Er hatte das Gefühl, dass sie seinen Gedankengängen nur allzu aufmerksam folgte. Er erinnerte sich, dass er als Teenager im städtischen Schwimmbad auf den Sprungturm gestiegen war und dann, als ihm die Höhe bewusst wurde, seine Meinung geändert hatte. Doch dann hatte er einige Mädchen entdeckt, die ihn beobachteten. Also war er gesprungen.
    Glücklicherweise war er diesen pubertären Bedürfnissen, sich selbst beweisen zu müssen, längst entwachsen.
    »Wissen Sie was?«, sagte er. »Ich glaube, es wäre vielleicht ganz nützlich, sich den Tatort bei Tageslicht anzusehen.«
    Sie lächelte verstohlen, aber es entging ihm nicht. Und er erinnerte sich auch, dass ihm nach dem Sprung, der damals kein Ende zu nehmen schien, und dem abschließenden Bauchplatscher die Luft weggeblieben und eines der Mädchen reingesprungen war, um ihm zum Beckenrand zu helfen.
    Hatte keinen Sinn, den großen Zampano zu spielen, wenn man es nicht durchziehen konnte.
    »Es wäre zweckdienlich«, sagte er, »wenn jemand Unbedarfter einen Blick draufwerfen könnte …« Er hielt kurz inne, bevor er fortfuhr: »Mal sehen, ob Sergeant Wield da ist.« Er griff zum Hörer.
    »Er kommt erst später, Sir«, sagte Novello. »Ich sagte Ihnen doch, er hat sich heute Morgen freigenommen.«
    »Stimmt«, sagte Pascoe. »In diesem Fall, nehme ich an, sollten lieber Sie mitkommen, Shirley.«
    Bereits jetzt schämte er sich seines kleinlichen Getues.
    »Okay«, sagte Novello. »Soll ich fahren?«
    Eine verräterische, schlagfertige Antwort, die sie ihm hier hinknallte, dachte sich Pascoe und putzte sich die Nase, um seine Bestürzung zu verbergen. Er dachte an das eine Mal, als er, zusammengekauert wie ein Fötus, auf dem Vordersitz ihres Fiat Uno mitfahren durfte. Sie war gerast wie Jehu, wenn der Prophet einen schlechten Tag hatte, und besonders das Gefühl, sowohl der Straße als auch Gott viel zu nahe gekommen zu sein, war ihm nachhaltig im Gedächtnis geblieben.
    Sein Selbsterhaltungstrieb siegte über die politische Korrektheit. Entschieden sagte er: »Nein, wir fahren in meinem Wagen.«
    Und bekam dafür erneut dieses verstohlene Lächeln, als könnte sie seine Gedanken lesen.

8
    Stelldichein
    D ie ganze Nacht über hatte dick der Nebel über dem Dorf Enscombe gehangen, am Morgen allerdings vermochte er das Konzert der Vögel nicht mehr zu stören. Detective Sergeant Edgar Wield wiederum wurde noch fröhlicher zumute, als ihm einfiel, dass er erst nach Mittag zur Arbeit musste. Nett wäre es auch gewesen, wenn er mit seinem Lebensgefährten Edwin Digweed noch etwas hätte im Bett bleiben können, aber das sollte nicht sein. Die Jahreskonferenz des Verbands der Antiquare von Yorkshire war für den Abend im Goldenen Vlies angesetzt, und als Verbandsmitglied, das dem Geschehen am nächsten wohnte, hatte Digweed die Aufgabe übernommen, die notwendigen Vorkehrungen für die Ankunft der Delegierten zu treffen.
    Als er bemerkte, dass sich Wields gute Laune über

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