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Welch langen Weg die Toten gehen

Welch langen Weg die Toten gehen

Titel: Welch langen Weg die Toten gehen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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geschwungenen Anfahrt durch eine angenehme Parklandschaft näherte, unter deren verstreuten Bäumen die Schafe ihr Grasen und die Lämmer ihr ausgelassenes Tollen unterbrachen, als eine Gestalt in Ledermontur laut schmetternd vorbeifuhr: »
Und wünschen, es möge bald sein, tra la, ein Sommer voll Rosen und Wein …
«
    Der Parkplatz wies viele Lücken auf, Wields Blick aber blieb an einem Kombi hängen, der so lange nicht mehr gewaschen worden war, dass sich seine ursprüngliche Farbe kaum bestimmen ließ. Er parkte seine Thunderbird daneben, stieg ab und spähte durch die verdreckte Scheibe.
    Der Rücksitz war übersät mit vertrauter Kleidung, Straßenkarten, leeren Takeaway-Pappkartons, einer Gemüsezwiebel und einer halb vollen Flasche Highland Park – der berühmten Notfallration.
    Wield neigte keineswegs zu Fantastereien, aber einen Augenblick lang bemühte er sein Gedächtnis, um in Wirklichkeit oder Fiktion eine Parallele zu diesem traumatischen Schockerlebnis zu finden – Freitags Fußabdrücke, Amundsens flatternde Flagge auf dem Pol, Pearces verschossener Elfmeter bei der Weltmeisterschaft ’90. Es fand sich keine.
    Das hier war Andy Dalziels Wagen.
    Andererseits musste selbst der Teufel mal was zu sich nehmen, und es gab keine rationale Erklärung für die düstere Vorahnung, die ihn bei dieser Entdeckung beschlich.
    Er machte sich auf den Weg zum Hoteleingang. Der Parkplatz war vom Gebäudekomplex diskret durch eine Buchsbaumhecke abgeschirmt. Er wollte gerade durch sie hindurchgehen, als er abrupt stehen blieb. An einem Ende des Hotels war ein pseudo-viktorianischer Wintergarten angebaut. Hinter der Glasscheibe, unter einer Topfpalme, sah er zwei Köpfe, einer davon zierlich, mit kurzem, schwarzem, elegant geschnittenem Haar, der andere massiv wie ein alter, verwitterter Fels; die beiden Häupter waren über einem gusseisernen Tisch einander zugeneigt, wie bei dem inszenierten Tableau eines Malers aus dem neunzehnten Jahrhundert, der an einer Leinwand mit dem Titel
Das Stelldichein
arbeitete.
    Die Frau sah in seine Richtung und sagte etwas. Der große, graue Kopf ihr gegenüber begann sich zu drehen, und Wield trat hastig einen Schritt zurück, während in seinen Ohren teutonisches Jubelgeschrei erklang und antarktische Winde heulten.
    Wieder auf dem Parkplatz, stieg er auf sein Motorrad und suchte nach einem Platz, der so weit wie möglich von Dalziels Wagen und näher am vorderen Hoteleingang lag, so dass er vom Wintergarten aus nicht mehr zu sehen war.
    Anstelle des Jubelgeschreis und der Winde war wieder das Lied getreten, das er während der gesamten Fahrt von Enscombe gesungen hatte, nun aber machte er sich an die zweite Strophe.
    »
Die Blumen, die blühen im Mai, tra la, die können nichts für mich tun …
«

9
    Ein spezieller Belag
    D er Typ in der Motorradkleidung«, sagte Kay Kafka, »war das nicht …?«
    »Sofern er keinen Zwilling hat, was ich aber bezweifle«, antwortete Dalziel.
    »Ich dachte, das sei ein privates, inoffizielles Treffen, Andy«, sagte Kay Kafka.
    »Das dachte ich auch. Mach dir keine Sorgen, ich werde mit ihm reden. Also, bei dir ist alles in Ordnung, Kay?«
    »Ja. Kein Grund zur Besorgnis. Jedenfalls nicht bis letzte Nacht.«
    »Ich hab’s dir schon gesagt, schlag es dir aus dem Kopf. Eine schreckliche Sache, aber sie betrifft dich nicht.«
    »Mir kommt es aber vor, als wollte Pal, dass sie mich betrifft«, sagte sie.
    »Mag sein, nach allem, was du mir erzählt hast. Aber es hat nicht funktioniert. Also kein Problem.«
    »Ich muss keine offizielle Aussage abgeben?«
    »Völlig zwecklos«, sagte er voller Zuversicht. »Warum die Dinge unnötig verkomplizieren? So wie es im Moment aussieht, wird Paddy Ireland, dem der Fall untersteht, noch nicht mal mit dir reden wollen. Nein, vergiss es.«
    »Ich versuch’s. Aber es ist nicht einfach. Er war der Sohn seines Vaters. Mein Stiefsohn. Helens Bruder.«
    »Er war ein widerlicher Arsch, der sie nicht alle hatte.«
    »Er musste sehr verzweifelt gewesen sein, um sich umzubringen.«
    »Aye, und er wollte, dass so viele wie möglich mit hineingezogen werden. Als würdest du erfahren, dass du Lepra hast, und dich daraufhin im Stadtbrunnen ertränken. Also vergiss es und konzentriere dich auf deine Enkelkinder.«
    »Stiefenkel«, korrigierte sie.
    »Ich zweifle, ob sie das jemals so sehen werden«, sagte er und leerte sein Glas. »Sie wissen nicht, dass sie von Glück reden können, noch nicht. Aber gib ihnen noch ein

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