Wellentänze: Roman (German Edition)
hatte, habe ich auch noch einfließen lassen, dass du dich von Oscar getrennt hast.« Angela seufzte. »Es tut mir Leid! Aber ich war müde. Kinder können einen schon ziemlich konfus machen.«
»Nun, dann hat er wenigstens noch einen Grund, mein Verhalten zu missbilligen. Das tut er doch mit solcher Leidenschaft.«
»Du und Rupert, ihr geratet euch zwar immer in die Haare, aber er hat dich sehr gern. Er meinte sogar, du könntest Strange’s vielleicht wegen unzulässiger Kündigung verklagen. Du sollst es ihn wissen lassen, falls du das tun willst.«
Julia lächelte; es rührte sie, dass ihr spießiger Bruder, Rechtsanwalt von Beruf, so aufmerksam war. »Ich glaube, die Sache wäre völlig hoffnungslos, da ich von mir aus gegangen bin, aber es ist sehr nett von Rupert, mir seine Hilfe anzubieten. Und habt ihr in letzter Zeit mal was von unserer Mutter gehört?«
Angela nickte. Sie war es gewöhnt, diejenige in der Familie zu sein, bei der alle Informationen zusammenliefen. »Sie hat irgendeinen Hippie bei sich aufgenommen, der Holz hackt und in ihrem Garten Windspiele aufhängt. Du musst ihr unbedingt erzählen, wie die Sache weitergeht. Sie ist vollkommen verrückt auf diese Geschichte mit den Booten.«
»Das habe ich auch nicht anders erwartet. In gewisser Weise ist sie einfach cool, wie Grace sagen würde.«
Angela brach ein Stück von einem Schokoladenkeks ab. »Hm. Das sehen wohl alle so – bis auf ihre Töchter. Stell dir nur all die jungen Männer vor, die auf sie fliegen!«
»Und die sie an mich weiterzureichen versucht«, ergänzte Julia grimmig. »Ich garantiere dir, sie mochte Oscar nur deshalb nicht, weil sie ihn nicht für mich entdeckt hatte, und weil sie sich nicht länger als Kupplerin betätigen konnte.«
»Na, dann hat sie ja jetzt wieder freie Bahn«, meinte Angela. »Ach ja, hast du schon von ihrer jüngsten alternativen Therapie gehört?«
»Was meinst du? Radionik?«
Angela nickte. »Sie hat mich gebeten, ihr eine Locke von Petals Haar zu schicken, damit sie ›sie in die Schachtel legen‹ und herausfinden könne, warum sie nachts immer noch nicht durchschläft.«
»Allmächtiger! Was hast du gemacht?«
»Ich habe ihr gesagt, Petal schlafe deshalb nicht durch, weil sie erst drei Monate alt ist. Außerdem könne sie kein einziges Haar erübrigen.« Sie streichelte den flaumbedeckten Schädel ihrer kleinen Tochter.
Julia schüttelte den Kopf. »Es ist schon komisch, Dad war alles andere als ein Spießbürger. Ich weiß nicht, warum Mom sich nach seinem Tod in einen New Age-Hippie verwandeln musste. Weiß Rupert das mit der Radionik?«
»O ja, aber du kennst doch Rupe. In seinen Augen kann Mom einfach nichts falsch machen. Vielleicht würde er das anders sehen, wenn er derjenige wäre, dem sie bei jedem Gähnen eine Dickdarmspülung empfohlen hätte. Ich mag Kaffee, aber nicht als Einlauf. Komm, trinken wir noch eine Tasse.«
Angela schenkte Kaffee nach, und sie verfielen in Schweigen. Ihre Mutter war einer der Menschen, den alle anderen für eine Art Gottesgeschenk hielten. Und obwohl sie sie beide innig liebten, hätten sie es einfacher gefunden, wenn sie nicht ausgerechnet ihre Mutter gewesen wäre. Für den Rest der Welt war sie »entzückend exzentrisch« und mit einer ungeheuren Ausstrahlung gesegnet. Bei ihren Töchtern war sie äußerst kritisch und setzte Maßstäbe, die diese nie erreichen konnten. Aber es wäre schon ein Kunststück gewesen, sich über eine Mutter zu beklagen, die äußerlich so wunderbar war.
Als Julia später ihre Mutter anrief, war diese tatsächlich ganz aus dem Häuschen, so sehr begeisterte sie Julias neuer Job auf den Kanalbooten. »Ich hatte gerade einen jungen Mann bei mir zu Gast, der hat auf einem Kanalboot gelebt, während er zur Uni ging. Er sagte, das sei ein total irres Erlebnis gewesen.«
Kapitel 3
Z wei Wochen später saß Julia im düsteren Bahnhofscafé von Reading und fragte sich, ob sie nicht vielleicht einen schrecklichen Fehler gemacht hatte. Sie hatte drei Tassen Kaffee getrunken und zweimal die Frau hinter der Theke gebeten, auf ihr Gepäck Acht zu geben, während sie zur Damentoilette ging. Suzy war immer noch nicht aufgetaucht.
Nun gut, eigentlich waren es noch fünf Minuten bis zum verabredeten Zeitpunkt, aber ein Bahnhofscafé war ein ziemlich vager Treffpunkt. Angenommen, es gab noch eins, ein größeres und bekannteres Café, das Julia irgendwie übersehen hatte?
Vielleicht war Suzy als Arbeitgeberin einfach zu
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