Wellentänze: Roman (German Edition)
jung und zu schnodderig. Welche Eigenschaften waren es eigentlich, die sie zu der jungen Frau hinzogen? Ihre unkonventionelle Einstellung zu Männern, ihre Naivität, was die harte Realität des Lebens betraf, ihr fröhliches Wesen – vielleicht würden gerade diese Dinge Julia die Wände hochgehen lassen, wenn sie Anweisungen von ihr entgegennehmen musste.
Aber es war zu spät. Inzwischen füllten getrocknete Blumen, Weihrauchstäbchen und die Fotografien fremder Leute Julias Cottage. Die Freundin einer Freundin ihrer Schwester war dort eingezogen, machte sich bei Julias Katze lieb Kind, pflanzte Biogemüse im Garten, hielt ein wachsames Auge auf Julias ältliche und sehr liebenswerte Nachbarn und legte für dieses Privileg ein hübsches Sümmchen hin. Vor Ende September gab es kein Zurück für Julia.
Sie hatte gerade beschlossen, die jüngste Ausgabe von The Lady zu kaufen, falls sie in aller Eile einen anderen Job benötigte, als Suzy das Café betrat. Sie hatte etliche teure lederne Sporttaschen und einen gut aussehenden jungen Kerl bei sich, dem ein Schild mit der Aufschrift Wünschenswerter Verehrer für die Tochter eines Industriekapitäns um den Hals hätte hängen können. Ihm fehlten nur noch das Tweedjackett und derbe Straßenschuhe, um das Bild perfekt zu machen.
»Hey, Julia!«, sagte Suzy. »Die Strähnchen sind einfach klasse! Du siehst damit viel ... Sie sind genau das i-Tüpfelchen, das du brauchst.« Nachdem sie damit aller Welt verraten hatte, dass Julia ihre Blondheit nicht Mutter Natur zu verdanken hatte, umarmte Suzy sie in einer Wolke von etwas, das sehr durchdringend und teuer roch. »Das ist George, der mich freundlicherweise im Wagen mitgenommen hat. Obwohl ...« Sie wandte sich ihrem Begleiter zu: »Genau genommen hat er mich nicht mitgenommen, sondern ist extra meinetwegen hierher gefahren. Nun, wie auch immer, George, das ist Julia.«
»Guten Tag.« George bedachte Julia mit einem höflichen Lächeln. Perfekte Manieren, gute Zähne und noch bessere Zukunftsaussichten. Julia, die wusste, dass George der junge Mann war, den Daddy für seine kleine Prinzessin ausgesucht hatte, konnte ohne weiteres verstehen, warum Suzy ihn nicht heiraten wollte. Er war eine jüngere, galantere Ausgabe von Oscar.
»Also, Suzypussi«, meinte er, »wir hören voneinander. Ich muss jetzt los und mich meiner alten Dame widmen – meiner Mutter«, erklärte er Julia, die, da sie doch selbst so viel älter war, seine Bemerkung sonst womöglich nicht verstanden hätte. Julia zwang sich zu einem Lächeln.
»Es war wirklich lieb von dir, den ganzen weiten Weg zu fahren, um mich herzubringen, George!« Suzy hängte sich an seinen Hals und gab ihm dann die Art von Kuss, die sicherstellte, dass seine Zuneigung zu ihr genauso lange hielt, wie es ihr in den Kram passte.
Nachdem sie ihren Verehrer losgeworden war, kam Suzy sofort zur Sache. »Um wie viel Uhr geht unser Zug?«
Julia musste unwillkürlich lächeln. Suzy benutzte Menschen, wie andere Menschen Papiertaschentücher benutzen, und doch tat es ihrem Charme irgendwie keinen Abbruch.
»Um zehn nach drei von Gleis drei. Wir müssen über die Brücke gehen.«
»Ach ja? Oh, Mist. Ich hätte George hier behalten sollen. Da werde ich mein ganzes Zeug nie rüberkriegen.«
»Ich helfe dir. Ich habe nicht allzu viel dabei«, fuhr Julia mit einem leichten Tadel in der Stimme fort. »Du hast ja gesagt, ich solle nicht viel mitbringen.«
»Oh, ich weiß, aber ich will nicht nach Hause zurückgekrochen kommen, weil ich irgendetwas Wesentliches vergessen habe. Ich werde das ganze Zeug sortieren, wenn wir da sind, und verschenken, was ich nicht brauche.«
»Wir gehen jetzt besser. Der Zug wird in vier Minuten hier sein.«
»Okay.« Suzy hängte sich so viele Taschen wie möglich über die Arme und beäugte die letzte Tasche, als wäre sie unaufgefordert hinter ihr hergeschlurft.
Besagte Tasche hatte die Größe eines kleinen Koffers, und als Julia sie anhob, fühlte sie sich an, als wären Wackersteine darin. »Du stehst nicht zufällig auf Hanteltraining, oder?«
»Das klingt zu sehr nach harter Arbeit. Warum fragst du?«
»Ich habe nur gerade überlegt, ob du vielleicht die Gewichte mitgebracht hast, das ist alles.«
»Ist die Tasche schwer? Tut mir Leid. Es sind nur ein paar Schuhe drin, meine Stereoanlage, ein Radio und solches Zeug.«
Zeug, auf das Julia seufzend verzichtet hatte. »Also schön, dann setzen wir uns jetzt mal besser in Bewegung.«
Sie
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