Wellentänze: Roman (German Edition)
sie sich über ihre Schwangerschaft freute, nicht weil das hundertprozentig der Wahrheit entsprochen hätte, sondern schlicht und einfach als Reaktion auf das Entsetzen ihrer Mutter. Margot hatte sogar ein paar Bemerkungen zu dem Thema gemacht, das Julia am meisten zuwider war. Zum Beispiel: »Heutzutage muss doch niemand ein unerwünschtes Baby bekommen«, was eine Umschreibung war für: »Warum lässt du nicht abtreiben?«
Margot, die vor den Tagen der legalen Abtreibung geboren worden war, hatte wie viele Frauen ihrer Generation eine pragmatischere Einstellung zu dem Thema als jüngere Frauen. Anders als diese hatte Margot nämlich in ihrer empfindsamen Jugend keine Bilder von ungeborenen Kindern unter die Nase gehalten bekommen, und betrachtete eine Abtreibung nicht als Mord. Julias Angst, ihre Mutter könne ihr zu einer Abtreibung raten, war einer der Gründe gewesen, warum sie mit ihrer Beichte so lange gezögert hatte.
Aber wie vorhergesehen, hatte Margots Anruf bei Angela ihrem Zorn die Spitze genommen. Angela, deren Achtbarkeit durch einen Ehemann und drei Kinder unverbrüchlich bezeugt waren, war es gelungen, ihre Mutter davon zu überzeugen, dass heutzutage so ziemlich jeder uneheliche Kinder bekäme und dass ihre Freundinnen sie nicht schief ansehen würden, weil Julia schwanger geworden war. Margot schwor zwar Stein und Bein, dass es sie nicht kümmere, was andere dachten, aber in Wirklichkeit war sie doch genauso auf Anerkennung erpicht wie ihre Tochter. Angela, die sich mächtig für ihre Schwester ins Zeug legte, flocht eine geschickte Bemerkung ein, dass nur eine so souveräne und weltoffene Mutter wie Margot mit einer solchen Angelegenheit so gut fertig werden könne.
Als Margot Julia schließlich wieder erreichte, war sie zwar noch immer nicht übermäßig begeistert von der Vorstellung, aber auch nicht mehr so entsetzt.
»Also, wer ist der Vater? Wird er eine anständige Frau aus dir machen?«
»Es war eine sehr flüchtige Begegnung. Ich werde es ihm nicht einmal erzählen. Es gibt keinen Grund, warum ein junges Leben darunter leiden sollte, dass ich unvorsichtig war.« Wieder so ein Fall, in dem die Wahrheit eine Unwahrheit verbarg. Das Wort »jung« würde ihre Mutter vielleicht von dem Gedanken an Fergus ablenken.
»Also war es nicht ...«
»Nein. Ich weiß, ich war dumm und absolut verantwortungslos – ganz zu schweigen davon, dass ich mich wie ein Flittchen benommen habe –, aber ich möchte nicht, dass das Leben eines anderen Menschen dadurch beeinträchtigt wird.«
Margot schwieg einen Augenblick. »Nun, wahrscheinlich ist es besser, eine ledige Mutter zu sein, als mit einem absolut unpassenden Mann verheiratet ...« Sie schien sich nicht ganz sicher zu sein.
»Mummy, du möchtest mich doch nicht in eine Hochhauswohnung eingesperrt sehen, mit einem Baby und einem nicht funktionierenden Lift, oder? Besser, ich bleibe in meinem eigenen kleinen Haus.«
»Aber das hast du doch vermietet!«
»Es wird nächste Woche wieder frei sein. Ich wollte nach Ende der Saison ohnehin dorthin zurückkehren.«
»Was ist, wenn du den Mieter nicht rausbekommst?«
»Liebste Mummy, erinnerst du dich noch, womit ich mir meinen Lebensunterhalt verdient habe, bevor ich auf die Boote ging? Der Vertrag war wasserdicht, und außerdem hat die junge Frau, an die ich vermietet habe, ihre eigenen Pläne. Ich habe sie letzte Woche angerufen, um ganz sicher zu gehen, und sie meinte, der Garten sei voller Stangenbohnen.«
Nachdem sie ihre Mutter ein wenig beschwichtigt hatte, ging Julia, leicht zitternd, zu Suzy, die am Heck stand.
»Ich habe doch gewusst, sie würde die Sache gut aufnehmen«, rief Suzy, bevor Julia Zeit zum Sprechen hatte.
»Ja.« Julia wollte ihr ihre Illusionen nicht rauben. »In gewisser Weise. Also, was werden wir unseren Passagieren beim allerletzten Abendessen der Saison vorsetzen?«
»Champagner und Räucherlachs«, antwortete Suzy.
Julia schüttelte den Kopf. »Das können wir uns nicht leisten. Aber wir könnten Lachsschnitzel kaufen und eine Mousse machen.«
Ob sie es sich nun leisten konnten oder nicht, zu dem letzten Dinner an Bord gab es dann doch Champagner, und als alle leicht beschwipst und sehr sentimental waren, wurden die Lobesreden auf ihre Fähigkeiten als Hotelbootbesitzerinnen immer überschwänglicher.
»Sie sind ein sehr liebes Mädchen«, sagte der pensionierte Pfarrer zu Julia. »Obwohl Sie schwanger sind. Jeder kann mal einen Fehler machen, nicht wahr, mein
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