Wellentänze: Roman (German Edition)
Daisys Missbilligung mehr fürchtete als die ihrer Mutter. Schließlich wusste sie, dass ihre Mutter sich niemals von ihr lossagen würde, ganz gleich, wie viele außereheliche Kinder sie bekam. Aber Dan und Daisy konnten durchaus den Entschluss fassen, ihr die Freundschaft aufzukündigen.
Die beiden waren über achtzig und hatten seit ihrer Hochzeit in dem Cottage gelebt. Sie gaben Julia das Gemüse aus ihrem Garten, das sie selbst nicht verbrauchen konnten, und Julia machte ihnen dafür Marmelade aus ihren Pflaumen und Hackfleischpastete zu Weihnachten. Die beiden fütterten ihre Katze, wenn Julia geschäftlich unterwegs war, dafür goss Julia, wenn die beiden Alten zu ihrem Sohn fuhren, die Pflanzen in ihrem Garten, zog die Vorhänge vor und kümmerte sich ganz allgemein um ihr Haus. Sie waren seit fünf Jahren Nachbarn, und nie hatte es ein böses Wort zwischen ihnen gegeben. Wie sie dazu stehen würden, dass demnächst ein außereheliches Kind den Lärmpegel um mehrere Dezibel anheben würde, vermochte Julia nicht vorherzusagen, aber sie hatte das Gefühl, dass die beiden nicht begeistert sein würden.
Während sie, was die Reaktion ihrer Mutter betraf, vollkommen richtig gelegen hatte, hatte sie ihre Nachbarn absolut falsch eingeschätzt. »Ich habe eine Neuigkeit«, begann Julia, nachdem sie eine Tasse Tee getrunken und ein hartes Plätzchen verzehrt hatte. »Ich bin sehr – ziemlich – glücklich darüber, aber Ihnen wird es nicht gefallen.«
»Was ist denn los, meine Liebe?«, fragte Daisy, und ein besorgter Ausdruck fügte ihrer ohnehin reichlich gefurchten Stirn neue Runzeln hinzu. »Sie ziehen doch nicht etwa weg, oder?«
»O nein.« Julia lächelte beruhigend. »Nichts in der Art. Ich bekomme ein Baby.« Niemand ließ vor Schreck seine Tasse fallen oder stieß ein entsetztes Keuchen aus, daher fuhr sie fort: »Und ich bin nicht verheiratet und werde auch nicht heiraten.«
Noch immer wurde die Stille einzig von der großen Standuhr unterbrochen, die stetig vor sich hin tickte, erheblich langsamer, als Julias Herz im Augenblick klopfte. Das alte Ehepaar tauschte einen ängstlichen Blick, aber dann erklärte Daisy: »Nun, mein Kind, es ist nie gut, die Dinge zu lange vor sich herzuschieben.«
Ihr Mann sagte: »Und ich nehme an, der junge Mann wird sich daran gewöhnen, Vater zu sein, und tun, was sich gehört. Machen Sie sich mal keine Gedanken, meine Liebe. Wir würden uns freuen, ein Baby nebenan zu haben, nicht wahr?«
Seine Frau nickte. »In diesem Haus ist kein Kind mehr geboren worden seit dem kleinen Christopher Jones.« Sie lächelte plötzlich. »Er wird mittlerweile an die sechzig sein, schätze ich.« Dann beugte sie sich vor, um Julia eine Hand aufs Knie zu legen. »Machen Sie sich keine Sorgen, mein Kind. Die Dinge sind heute nicht mehr so wie in meiner Jugend. Heutzutage wird eine Frau in der Nachbarschaft nicht mehr geschnitten, weil sie einen Fehltritt begangen hat.«
Julia schossen die Tränen in die Augen, etwas, das ihr in letzter Zeit immer häufiger passierte. »Sie sind sehr freundlich.«
Dem Anlass zu Ehren wurde noch mehr Tee ausgeschenkt, und als Julia sich nach einer ganzen Weile verabschiedet hatte – nicht ohne den beiden einen bemalten Krug für ihre Sammlung geschenkt zu haben –, rief sie ihre Schwester an.
»Es ist die reinste Ironie«, erzählte sie. »Auf der einen Seite ist Mom, die sich für wunders wie liberal hält und auf New Age und solche Dinge abfährt, und trotzdem hat sie wie die Frau eines viktorianischen Pastors reagiert, als sie von dem Baby gehört hat. Und auf der anderen Seite sind Daisy und Dan, die kaum bemerkt haben, dass Victoria nicht mehr auf dem Thron sitzt, und die beiden haben überhaupt kein Problem damit. Also ehrlich!«
»Ich nehme an, zu ihrer Zeit war es ganz normal, ein uneheliches Kind zu bekommen. Du brachtest den Jungen einfach dazu, eine anständige Frau aus dir zu machen. Die berufstätige Superfrau von heute zieht das allein durch.«
»Hmm«, meinte Julia nachdenklich und ohne auf diesen Hinweis auf ihr früheres Leben zu reagieren, von dem sie mittlerweile das Gefühl hatte, eine andere Frau hätte es gelebt. »Mir hat der Gedanke noch nie gefallen, dass jemand anderes mich ›anständig macht‹. Entweder ist Sex etwas Unrechtes, oder er ist es nicht. Eine Heiratsurkunde ändert im Grunde nichts daran.«
»Wo wir gerade von Veränderungen sprechen«, entgegnete Angela, die schließlich bereits Mutter war und keine Zeit
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