Wellentänze: Roman (German Edition)
beschloss, seine Bemerkungen einfach zu ignorieren. »Wie läuft es denn so bei der Arbeit? Habt ihr viel zu tun?«
»Ich bin überrascht und sehr enttäuscht von dir, Julia. So ein Benehmen hätte ich von dir niemals erwartet.«
Dies war nicht der richtige Augenblick, um Oscar darauf hinzuweisen, dass er immer schon ein ganz anderes Bild von Julia gehabt hatte als sie selbst. Außerdem hätte sie ein solches »Benehmen« auch nicht von sich erwartet – eine Schwangerschaft, ohne verheiratet zu sein.
»Wenn ich dir helfen soll, ihn zu überreden zu tun, was Sitte und Anstand erfordern«, fuhr Oscar fort, »gib mir Bescheid.« Julia wartete auf das Wort »Lump«, wurde aber enttäuscht.
»Geht es Sooty gut? Und deiner Mutter?«
»Danke, bestens. Aber versuch nicht, das Thema zu wechseln. Ich möchte mit dir reden.« Er schaffte es gerade noch, sie nicht »junge Dame« zu nennen, was ein Glück war, da ihre Ehre als Feministin sie sonst zu einer sehr unschönen Szene angestachelt hätte, und sie zogen ohnehin schon genug Aufmerksamkeit auf sich.
»Wenn du nichts dagegen hast – ich bin jetzt dran«, meinte sie erleichtert. »Warum stellst du dich nicht hinten an, oder willst du den ganzen Tag hier verbringen?«
Julia lächelte ihn an, ging aber wortlos an ihm vorbei, als sie das Postamt verließ. Dann trat sie in die Apotheke und versteckte sich hinter den Milchpumpen und den Brustwarzenschützern. Dort würde er niemals nach ihr suchen. Zu ihrem Pech lief sie jedoch einer Frau über den Weg, die sie einmal flüchtig bei Strange’s kennen gelernt hatte. Ihr Name fiel Julia nicht ein, aber sie hatte die Schwangerschaftsvertretung für Karen gemacht. Sie war älter als Julia und neigte dazu, Dinge übel zu nehmen.
»Oh, hallo, Julia.« Sie blickte demonstrativ auf Julias dicken Bauch hinab. »Ich wusste ja gar nicht, dass Sie in Hoffnung sind. Genau genommen wusste ich nicht einmal, dass Sie geheiratet haben.« Sie zog die Nase kraus, um anzudeuten, dass sie zu der Hochzeit hätte eingeladen werden müssen. »Hatten Sie eine Annonce in der Lokalzeitung?«
»Nein, denn es gab gar keine Hochzeit.«
»Oh. Dann leben Sie wohl ›einfach so‹ zusammen.«
»Nein, aber ich freue mich sehr auf das Baby«, erklärte Julia entschieden und mit einem gezwungenen Lächeln.
»Oh.« Die Frau wusste nicht, ob sie ihr Gegenüber bedauern oder sich darüber freuen sollte, dass die sonst so tüchtige Julia einen so spektakulären Fehltritt begangen hatte. »Nun, ich will offen zu Ihnen sein: Ich kann so etwas nicht gutheißen. Meiner Meinung nach sollten die Menschen mehr Rücksicht auf das Kind nehmen. Aber sie erwarten, dass ihnen alles auf einem silbernen Tablett serviert wird. Kostenlose Unterkunft, kostenlo-se Zahnbehandlungen, Vergünstigungen hier, Vergünstigungen da. Werden Sie das Baby zur Adoption freigeben?«
»Nein, ich werde es behalten.«
»Sie müssen aber bedenken, was für das Kind das Beste wäre. Zwei liebende Elternteile sind mit Sicherheit besser als nur einer. Sie wollen doch nicht, dass Ihr Kind benachteiligt sein wird?«
»Aber mein Kind wird ungeheuer privilegiert sein.« Julias angespanntes, künstliches Lächeln vermochte kaum mehr ihren Zorn zu verbergen. »Er oder sie wird mich als Mutter haben!«
»Es freut mich zu hören, dass Sie so positiv dazu stehen«, sagte eine andere, extrem auffällig gekleidete Frau, die Julia bei näherem Hinsehen schließlich erkannte. Es war ihre Hebamme, der sie in der Praxis ihrer Ärztin einmal kurz begegnet war. »Sie sind Julia, nicht wahr? Der Geburtsvorbereitungskurs fängt am Dienstag an. Sieben Uhr. Ich freue mich schon darauf, Sie dort zu sehen.«
»Oh, vielen Dank«, erwiderte Julia.
»Und was Sie betrifft«, wandte sich die Hebamme, eine erwachsene Version Suzys, deren gesamtes Outfit bis auf den letzten Ohrring von einem Designer stammen musste, an Julias Bekannte. »Sie werden feststellen, dass viele alleinerziehende Frauen bessere Mütter sind als manch eine verheiratete Frau. Das hat etwas mit absoluter Hingabe und bedingungsloser Liebe zu tun.« Und mit dieser rätselhaften Bemerkung ging sie weiter, sodass Julia ihr nur stumm hinterherstarren konnte, während die ehemalige Strange’s-Aushilfe ungehalten mit der Zunge schnalzte.
»Wer war denn das?«
»Meine Hebamme«, erklärte Julia und hätte am liebsten hinzugefügt: »Als ginge Sie das auch nur das Geringste an.«
»Nun, ich kann mir nicht vorstellen, dass sie eine professionelle
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