Wellentänze: Roman (German Edition)
kleinen Eigenheiten des Wagens erklären ...« Julia öffnete schon den Mund, um ihn beim Wort zu nehmen. »Aber das ist im Grunde vollkommen unnötig. Er fährt wirklich gut. Das einzige Problem ist die Tankuhr. Sobald der Tank nicht mehr voll ist, zeigt sie einen halb leeren Tank an, das heißt, Sie müssen sich notieren, wie viele Meilen Sie gefahren sind. Also, sonst ist alles klar, ja?«
Da es ihr offensichtlich nichts bringen würde zu erklären, dass sie gerade erst die Führerschein-Ptüfung bestanden hatte, und da es dunkel war und regnete und sie schwanger war, antwortete sie: »Nein. Ich komme schon zurecht, vielen Dank. Sie können beruhigt nach Hause fahren. Sind Sie der Bootsmann?«
Er nickte. »Ja. Ich werde dabei sein, wenn Sie anfangen. Dienstagabend, nicht wahr?«
»Stimmt.«
»Also dann, bis dahin.« Er hob die Hand zu einem flüchtigen, aber gutgelaunten Gruß und schwang sich auf den Sattel der Harley. Sein Freund schleuderte ein paar Hundert Dezibel und eine beträchtliche Menge fossiler Brennstoffe in die Luft, dann donnerten sie davon.
Julia beäugte ihre neue Verantwortung. Die gelbe Straßenlaterne machte es ihr unmöglich festzustellen, welche Farbe der Lieferwagen hatte, aber er war in der traditionellen Weise der Kanalboote bemalt, mit einer Aufschrift in schwungvoll geschlängelten Buchstaben und einigen Girlanden aus Rosen und Margeriten, die sich um den Namen rankten. Nur schade, dass La Barge Baguette darauf stand statt Pyramus, aber daran ließ sich nun einmal nichts ändern.
Sie ließ die Schlüssel in ihrer Hand baumeln. Wie oft hatte sie nicht die Frage gehört: »Wo sind meine Autoschlüssel?« Jetzt würde sie selbst sie stellen. Sie nahm sich vor, den Schlüsseln einen speziellen Haken zuzuweisen, damit sie sie nicht verlegte.
Eine kribbelnde Erregung verdrängte ihre Angst. Sie hatte gelernt, Auto zu fahren, und würde jetzt als Köchin auf einem Restaurantboot Unmengen Geld verdienen.
Julia dachte über die verschiedenen Möglichkeiten nach, die sie nun hatte. Sie konnte sich die Speisekarten und die anderen Unterlagen aus dem Wagen holen und sie sich im Haus ansehen. Oder sie konnte tun, was sie halb fürchtete, halb ersehnte: nämlich auf den Fahrersitz steigen und losfahren. Das Baby strampelte ermutigend. Sei kein Feigling, schien es ihr zu sagen. Julia überzeugte sich davon, dass sie ihren Hausschlüssel bei sich hatte und die Tür geschlossen war, dann stieg sie in den Lieferwagen und schob zaghaft den Schlüssel ins Zündschloss.
Sie ließ den Sitz ein Stück nach vorn gleiten, zog den Sicherheitsgurt über ihren dicken Bauch, stellte sich die Spiegel ein und ließ schließlich den Motor an.
Zuerst konnte sie es einfach nicht fassen, dass sie allein ein Auto fahren durfte. Und der Lieferwagen unterschied sich sehr von den beiden Autos, die sie bisher gefahren hatte, aber nach einigen Minuten gewöhnte sie sich daran. Das Gefühl, etwas geleistet zu haben, linderte die Schmerzen in ihrem Rücken und vertrieb ihre Sorgen, dass sie nach zwei Monaten Pause vielleicht kein anständiges Essen mehr würde zubreiten können. Sie konnte Auto fahren, sie war eine richtige, erwachsene Frau. Sie besaß die lebenswichtigen Fertigkeiten.
Julia hatte sich mit Suzy auf dem Boot verabredet, und es tat gut, sie wiederzusehen. Die Freundin hatte eine neue Frisur, sehr kurz und schick, und sah hübscher aus denn je. Sie umarmte Julia.
»Ganz wie in alten Zeiten! Nur dass ich es einfach nicht fassen kann, wie dick du geworden bist! Wie aufregend das alles ist! Du erlaubst mir doch, Patentante zu werden, ja? Es juckt mir in allen Fingern, dem Kind unpassende Geschenke zu machen und mit ihm in Kinofilme zu gehen, für die es noch zu jung ist.«
Julia erwiderte ihre Umarmung. »Natürlich. Ich möchte für mein Kind keine andere Patentante haben als dich. Und es ist so schön, wieder auf der Pyramus zu sein und mit dir zusammenzuarbeiten.« Julia zwängte sich in die Kombüse und sah sich um.
»Es ist alles ein bisschen durcheinander«, meinte Suzy. »Ich habe versucht, etwas Ordnung zu schaffen, aber du weißt ja, ich bin eine Niete, wenn es ums Putzen geht.«
»Ja«, stimmte Julia zu. »Ich weiß. Aber erzähl mir von Wayne. Wie kommt er auf dem College zurecht?«
»Der Kurs hat ihm erst überhaupt nicht gefallen, und er wollte am liebsten alles hinschmeißen, aber ich habe ihm gesagt, dass es bestimmt bald besser werden würde, und ich hatte Recht.«
Julia lächelte.
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