Wellentänze: Roman (German Edition)
zu aktivieren und schauderte stattdessen. »Ich verlass mich auf dich. Vielleicht sieht sie besser aus, wenn wir sie gestrichen haben.«
Sie stiegen die schlüpfrigen Treppen hinab und begutachteten die Aufgabe, die vor ihnen lag. Ralph hatte sie mit Gummihandschuhen, alten Baumwollschals, die sie sich um ihr Haar wickeln konnten, und Overalls ausgestattet, die schon steif von Teerflecken waren. Selbst in dieser unvorteilhaften Aufmachung und in dem künstlichen Licht brachte Suzy es fertig, wie Julia bemerkte, attraktiv auszusehen.
Ralph hatte auch einen riesigen Kübel Farbe und zwei zehn Zentimeter breite Pinsel beschafft. Einen dieser Pinsel drückte Suzy jetzt Julia in die Hand. »Hier. Wir machen uns am besten gleich an die Arbeit.«
»Ich nehme nicht an, dass man stattdessen eine Rolle benutzen könnte?«, fragte Julia mit einem zweifelnden Blick auf den Pinsel.
Suzy schüttelte wissend den Kopf. »Nein, sonst kommt man nicht richtig in die Ritzen. Ist eine Sauarbeit. Typisch für den verdammten Jason zu behaupten, er sei allergisch gegen Teer.« Suzy hebelte den Deckel von dem Kanister. »Deshalb müssen wir alles allein machen. Ich wette, er hat überhaupt keine Allergien.«
Julia beäugte die Flüssigkeit, die in der schummrigen Beleuchtung des Trockendocks finster glitzerte. »Ich weiß nicht. Es riecht furchtbar stark. Mir läuft schon jetzt die Nase.«
»Da ist Bitumen drin, also versuchen Sie, nicht zu atmen«, riet Ralph irgendwo hinter ihnen. »Und wenn euch etwas auf die Haut spritzt, müsst ihr es sofort abwaschen. Und gebt mir Bescheid, wenn ihr Nachschub braucht. Ich mische gerade Challico zusammen.«
»Natürlich, die Männer teilen sich wie immer die besten Jobs zu«, maulte Suzy. »Wir würden auch lieber Challico mixen, statt eine Meile Bootswände zu streichen.«
»Das bezweifle ich, meine Liebe.« Ralph grinste in sich hinein. »Challico besteht aus Pferdescheiße und Teer.«
»Und was um alles in der Welt macht man damit?«, fragte Suzy.
»Die Fugen versiegeln, wenn ihr sie abgedichtet habt. Eine Art nautisches Äquivalent zum Verputzen«, fügte er als Erklärung für Julia hinzu. »Jason übernimmt das vordere Ende, wo wir die neue Planke bekommen haben. So, und nun an die Arbeit. Ihr zwei habt gut zweihundertzwanzig Quadratmeter Boot zu streichen. Und ihr müsst heute noch fertig werden.«
»O Gott!« Suzy blickte entsetzt auf. »Warum denn das?«
»Das Boot soll gleich morgen früh zu Wasser. Es muss über Nacht trocknen.« Und fröhlich pfeifend marschierte er von dannen.
Suzy und Julia sahen einander bestürzt an.
»Na, dann mal los«, seufzte Julia. Sie tauchte ihren Pinsel in den Farbkanister und zog ihn über die oberste Planke. Es glänzte überaus zufrieden stellend. »Sieht doch hübsch aus, das muss man zugeben.«
»Bäh!«, schimpfte Suzy.
Die Frauen waren mit einer Seite des Bootes fertig und sahen der Arbeit an der anderen Seite nur mit mäßiger Begeisterung entgegen, als Ralph, Donald und Ted unter lautem Getöse ins Trockendock kamen. Nachdem sie alle übereingekommen waren, dass Ralphs Pfeifen alles andere als inspirierend war, schloss Ted Suzys CD-Spieler an, legte Oasis auf und drehte die Lautstärke hoch. Daraufhin ging ihnen die Arbeit viel leichter von der Hand, und sie waren noch vor acht Uhr mit dem Anstreichen fertig.
Julia war selten so müde gewesen wie an diesem Abend und sicher noch nie so schmutzig. Das Gesicht glühte ihr von den Ausdünstungen der Farbe, und trotz der Handschuhe waren ihre Hände und Arme mit schwarzen Sprenkeln übersät. Ihr frisch gesträhntes Haar war überall dort, wo es dem Schutz ihres Schals entronnen war, schwarz geworden. Die Tage, da sie sich mit ausländischen Kunden, Business-Class-Tickets und Laptop beschäftigt hatte, schienen einem anderen Leben anzugehören. Und Suzy war genauso schmutzig. Als sie aus dem Trockendock getaumelt kamen, fühlten sie sich wie Grubenarbeiter am Ende einer langen Schicht und mühten sich mit steifen Gliedern den Treidelpfad entlang zu dem Schleppboot, von dem Suzy gesagt hatte, es sei »so richtig warm und kuschelig«.
»Ich habe noch nie in meinem Leben so hart gearbeitet!«, erklärte Suzy, die sich an den Bug der Pyramus gelehnt hatte.
Jason, der vergleichsweise sauber war – trotz der Ölschicht, die einfach zu ihm zu gehören schien –, strotzte nur so vor Zufriedenheit. »Nein, das hast du wahrscheinlich wirklich nicht. Aber trotzdem kannst du nicht mit Stiefeln in den
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