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Wellentraum

Wellentraum

Titel: Wellentraum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Virginia Kantra
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Notizbuch. Er hielt die Seiten mit einer Hand fest und sah von seiner Tatortskizze hinauf zu den schweren Wolken.
    Einige Kleinstadtpolizeichefs waren zu stolz oder zu dumm oder zu profilneurotisch, um für weniger schwere Vergehen als Mord die staatliche Strafabteilung einzuschalten. In Maine erledigte man die Dinge gern in eigener Regie, und Polizisten, die normalerweise Gelegenheitsdiebstähle und Verkehrsdelikte abwickelten, waren sich nicht darüber im Klaren, dass ein Fall schnell verloren war, wenn man nur ein einziges Beweisstück übersah oder falsch einstufte.
    Caleb wusste das. Aber es gab verflucht noch mal nichts, was er dagegen tun konnte. Regen und die Flut bedrohten die Landspitze. Wenn er nicht bald eine gründliche Suche durchführte, würde sein Tatort unwiederbringlich zerstört und jedes Beweisstück davongespült oder -geweht sein.
    »Ich brauche das wieder, was er mir weggenommen hat«,
hatte Maggie gesagt.
    Er wollte es finden.
    Was auch immer es war.
     
    Fünf Stunden später saß Caleb an seinem Schreibtisch, eine Tasse bitteren Kaffees vor sich, und arbeitete sich so methodisch durch den Papierkram, den die Laborarbeiten erforderten, wie er sich auch durch den Strand gearbeitet hatte.
    In seinen Augen brannten Sandkörner, Aschepartikel und Schlafmangel. Sein Bein pochte. Sein Magen knurrte. Er hatte keine Pause fürs Frühstück eingelegt. Er öffnete eine Schublade und wühlte unter den Akten und Verfahrenshandbüchern nach dem braunen Arzneifläschchen mit den Schmerztabletten.
    Die Ärztin hatte gesagt, dass Maggie kein Aspirin nehmen dürfe, da die Gefahr einer Gehirnblutung bestand. Ob Lucy daran dachte?
    Er griff nach dem Telefonhörer und tippte auswendig die Nummer ein. Seine Schwester hob beim zweiten Läuten ab.
    »Wie geht’s euch?«, fragte er.
    »Maggie geht es gut. Uns beiden geht es gut. Wir wollen gerade zu Mittag essen. Wo bist du?«
    »Keine Übelkeit? Kopfschmerzen?«
    Gedämpfte Stimmen waren im Hintergrund zu hören.
    »Sie hat ein bisschen Kopfweh«, berichtete seine Schwester gleich darauf. »Ich habe ihr Tylenol gegeben.«
    »Gut«, erwiderte Caleb. Er kam sich dumm vor. »Das ist gut.«
    »Maggie will wissen, wann du sie an den Strand fährst.«
    »Später.« Er sah zum Fenster, gegen das ein kalter, grauer Regen peitschte. »Es regnet.«
    »Willst du mit ihr sprechen?«
    Er tippte an die Plastikflasche auf dem Schreibtisch. Er wollte sich nicht wie ein alberner Fünfzehnjähriger fühlen, der ein Mädchen anrief und dann auflegte, weil er nichts zu sagen hatte.
    Aber er hatte keine Neuigkeiten für sie. Noch nicht. Er blickte von den nutzlosen Papierstapeln auf dem Schreibtisch zu den nutzlosen Papierstapeln auf dem Boden.
    »Ich rufe wieder an«, sagte er schließlich und legte auf.
    Als er das Fläschchen in der Hand wog, schielte er auf den hellen Warnhinweis auf der Vorderseite:
Nicht auf leeren Magen einnehmen. Kann Benommenheit verursachen. Nicht Auto fahren und keine Maschinen bedienen.
    Seine Hand ballte sich frustriert, bevor er das Fläschchen zurück in die Schublade legte.
    Er brauchte ein Schmerzmittel und etwa zwölf Stunden Schlaf. Außerdem brauchte er eine Dusche und eine Zigarette. Stattdessen trank er einen weiteren Schluck Kaffee, der schon kalt wurde. Er hatte es im Krankenhaus geschafft, mit dem Rauchen aufzuhören, und kein Frust konnte so groß sein, dass er sich das noch einmal antun würde.
    Er rieb sich die Augen. Was er wirklich brauchte, war eine Leiche. Oder eine Waffe. Kleidungsstücke. Zum Henker, selbst Fuß- oder Reifenabdrücke würden es schon tun. Aber der Wind und die Flut hatten alle Spuren zerstört, und der Strand war beunruhigend, entmutigend leer gewesen. Nicht mal eine Zigarettenkippe war zu finden. Nun ja, abgesehen von denen der Feuerwehrleute, die sie gewissenhaft außerhalb der Absperrung ausgetreten hatten.
    Caleb war ein guter Ermittler. Er hatte den Tatort durchkämmt und durchsiebt, alles fotografiert und festgehalten, wie unbedeutend es auch zunächst erscheinen mochte. Aber er hatte nichts gefunden, anhand dessen er Maggie hätte identifizieren können.
    Oder ihren Angreifer.
    Es klopfte an seine Bürotür.
    »Herein.«
    Edith steckte ihren Kopf herein. Neugier blitzte hinter ihrer Brille auf. »Detective Sam Reynolds.«
    Caleb dachte ernsthaft darüber nach, nicht aufzustehen – sein Bein schmerzte wie die Hölle –, und tat es dann natürlich doch. »Detective.«
    Reynolds hatte glattes braunes Haar,

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