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Wellentraum

Wellentraum

Titel: Wellentraum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Virginia Kantra
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wache Augen und einen gepflegten Schnurrbart. Eher eine Feldratte als eine Laborratte.
    »Sam. Kriminalpolizei.«
    Das musste er Caleb nicht erst sagen. Er hob die Augenbrauen. »Also, Sie sind das? Meine Spurensicherung?«
    Der Ermittler lächelte, wobei große weiße Zähne zum Vorschein kamen. »Ist jemand gestorben, von dem ich noch nicht weiß?«
    »Nein.«
    »Dann bin ich es.« Er ließ sich auf dem Hartschalenstuhl nieder, der alles war, was sich World’s End für seine Besucher leisten konnte. »Was haben Sie für mich?«
    »Plastikfolie, Bierdosen, einen Flipflop aus Gummi, ein paar Angelhaken und ein Haufen Feuerschutt.« Caleb musste keinen Blick auf das Gesicht des anderen werfen, um zu wissen, dass er so gut wie nichts hatte. Er nickte auf die versiegelten Kartons auf dem Boden hinter ihm. »Ist alles da drin. Etikettiert und mit Datum versehen. Dienststellennummer, Artikelnummer, Beschreibung und Fundort.«
    »Sie haben das schon mal gemacht.«
    »Abteilung für Kapitalverbrechen«, erklärte Caleb knapp. »Portland.«
    »Gut für Sie. Das erleichtert mir den Job. Papierkram?«
    »Alles außer der Fallzusammenfassung. Ich kann sie Ihnen heute Nachmittag zufaxen.«
    Der Schnurrbart zuckte. »Was heißt: Sie wollen, dass ich die Kartons aufs Festland mitnehme und wieder verschwinde.«
    »Ich würde es vorziehen, wenn Sie mir die Fahrt ersparen würden«, erwiderte Caleb vorsichtig. »Ich bin hier auf mich allein gestellt.«
    »Haben Sie den Sheriff angerufen?«
    Für eine Ein-Mann-Polizeidienststelle war der County-Sheriff die beste Anlaufadresse. Was bedeutete, dass Calebs nächste Verstärkung immer noch vierzig Bootsminuten entfernt war.
    »Ja. Er durchsucht die Datenbank der vermisst gemeldeten Personen für mich.«
    »Ich dachte, Sie sagten, das Opfer sei noch am Leben.«
    Caleb massierte abwesend sein Bein unter dem Tisch. »Das ist sie auch. Sie redet nur nicht.«
    »Unkooperativ?«
    »Sie erinnert sich nicht an den Überfall. Oder an irgendetwas anderes.«
    Außer an ihn. Sie erinnerte sich an ihn.
    »Was hast du heute Abend am Strand gesucht?«
    »Dich.«
    Reynolds kratzte sich am Schnurrbart. »Kein Verbrechen, bei dem man sein Gedächtnis verlieren sollte.«
    »Nein.«
    »Wenn sie wirklich ihr Gedächtnis verloren hat.«
    Ihre Blicke begegneten einander einen Moment lang in größtem Einvernehmen. Weibliche Opfer häuslicher Gewalt logen oft oder behaupteten, das Gedächtnis verloren zu haben, um sich oder die Täter zu schützen. Wenn Maggie den Angreifer kannte …
    Caleb schüttelte den Kopf. Er wollte ihr vertrauen. Mehr noch, er wollte, dass sie ihm vertraute.
    »Die Ärztin vermutet eine Gehirnerschütterung«, gab er zurück. »Vielleicht wird sie sich nie erinnern. Weshalb ich Ihre Hilfe wirklich gut gebrauchen könnte.«
    Reynolds zuckte mit den Schultern. »Ich bin ja jetzt hier. Ich werde die Kartons für Sie weiterreichen. Aber ich kann nicht versprechen, dass wir etwas finden.«
    Im Regen schleppten sie dieKartons in Calebs Jeep und dann auf den Kai und die Fähre. Als alle verladen waren, schwitzte Caleb unter seiner gelben Polizeiregenjacke, und sein Bein fühlte sich an, als hätte er drei Runden mit seinem Physiotherapeuten Vlad absolviert. Aber die gesparte halbe Tagesreise zum Kriminallabor in Augusta war den Schmerz wert.
    Caleb unterschrieb die Übergabequittung für die Beweismittel und fuhr die zwei Blocks zurück zum Rathaus.
    »Edith«, grüßte er, als er an ihrem Schreibtisch vorbeiging.
    Die Stadtsekretärin sah von ihrer Ablage auf. »Antonia Barone wartet auf Sie.«
    Caleb blieb stehen. »In meinem Büro?«
    Edith sah ihn über ihre Nase hinweg an. »Sie ist nicht hier draußen, oder?«
    »Richtig. Danke.«
    Mist.
    Wenigstens hatte Edith ihn gewarnt. Caleb war seit neun Jahren Polizist, seit sechs davon Detective. Er wusste, dass gute Beziehungen zur Gemeinde genauso Teil des Jobs waren wie die öffentliche Sicherheit. Aber schon als er ein Junge war, hatte er Angst vor Reginas Mutter Antonia gehabt. Selbst jetzt schüchterte sie ihn noch ein.
    Außerdem war sie sein Boss.
    Er hinkte in sein Büro, wo er sie gestikulierend vor seinem Schreibtisch antraf, in einer viel zu großen Jacke und rotem Lippenstift auf den schmalen Lippen.
    »Bürgermeisterin«, begrüßte er sie vorsichtig.
    Sie schnaubte. »Vergessen wir den Bürgermeisterin-Mist. Der einzige Grund, weshalb ich diesen Job übernommen habe, war der, dass Peter Quincy nicht für eine vierte Amtszeit zur

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