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Wellentraum

Wellentraum

Titel: Wellentraum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Virginia Kantra
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Arme weit ausgestreckt, das dunkle Haar glatt anliegend am Kopf, und ihr Gesicht leuchtete mit Wasser und Sonnenschein um die Wette.
    Der Boden gab unter ihm nach. Seine Knie versagten ihm den Dienst wie schon oben auf dem Pfad, obwohl der Sand hier weich und eben war. Denn springend, spielend, durch die Wellen pflügend, die grauen Körper glatt und kräftig, umkreisten Margred Delphine, zwei oder sechs oder zehn von ihnen, nah, so nah, dass sein Herz vor Erstaunen und vor Angst um sie fast stehen blieb.
    Was zum Henker …?
     
    Margred streichelte die langen, schmalen Flanken der Delphine. Ihre Kraft beruhigte sie, ebenso wie ihr Geplapper. Die
muc mara
hatten prompt und freudig auf ihren Ruf geantwortet und ihren Auftrag, dem Prinzen ihre Bitte zu übermitteln, bereitwillig übernommen.
    Natürlich wusste sie nicht sicher, wie viel genau von ihrer Botschaft Conn erreichen würde. Delphine waren intelligent und freundlich, weniger überlegt als Wale, weniger blutdürstig als Haie, weniger leicht abzulenken als Vögel oder Fische. Aber sie lebten nicht in der Zeit, wie es Menschen taten oder auch Selkies. Sie ließen sich treiben, wohin die See sie trieb, und was sie wirklich verstanden, wusste niemand, vielleicht nicht einmal Conn oder Llyr selbst.
    Sie sah ihnen zu, wie sie unter übermütigen Sprüngen davonzogen. Vor Freude und schrecklicher Verzweiflung schnürte es ihr die Kehle zu. Sie waren zu ihr gekommen und hatten sie getröstet. Aber sie konnte ihnen nicht in die grüne Kühle des Meeres folgen, in die rollenden Wellen, in die goldgesprenkelte Dunkelheit.
    Ihr Verlust zerrte an ihr wie wassergetränkte Kleider. Schwermütig drehte sie sich um und kehrte an den Strand zurück.
    Caleb stand an der Wasserlinie. Ihn zu sehen, stark und unbewegt wie ein Fels in der Brandung, hob ihre Stimmung und ließ sie einen Moment Vorsicht und Kummer vergessen.
    Er schüttelte den Kopf. »So etwas habe ich noch nie gesehen.«
    Die Vorsicht kehrte unvermittelt zurück. Sie neigte den Kopf. »Habe ich so wenig Eindruck auf dich gemacht, dass du nicht mehr weißt, wie ich nackt aussehe?«
    Er lächelte, wie es ihre Absicht gewesen war. Aber er ließ sich nicht ablenken. »Ich meinte die Delphine.«
    »Du musst doch schon mal Delphine gesehen haben.«
    »Aber nicht, dass sie so nah an den Strand kamen, so nah zu einem Schwimmer. Einmal, als ich noch ein Kind war, hat meine Mutter …« Er verstummte.
    Seine
Mutter?
Aufregung erfasste Margred. Seine Mutter war eine Selkie. Wenn er wüsste, wenn er sich erinnerte, würde sie sich ihm vielleicht anvertrauen.
    »Als du noch ein Kind warst …«, half sie ihm auf die Sprünge.
    Er zögerte, zuckte mit den Schultern. »Es ist schon lange her. Ich war vier, vielleicht auch fünf. Sie ging mit mir an den Strand. Das tat sie nicht sehr oft. Mit Dylan manchmal, aber … Jedenfalls schwamm sie gerade im tiefen Wasser, wo ich nicht hindurfte, als die Delphine kamen.« Sein meergrüner Blick war tief und verloren. »In all den Jahren dachte ich, ich hätte es verwunden. Du weißt schon, wie Kinder, wenn sie sich langweilen oder einsam sind.«
    Ihre Kindheit versank im Nebel der Zeiten. Sie konnte sich nicht daran erinnern, wie sich Langeweile anfühlte. Aber sie wusste, was Einsamkeit war.
    Sie berührte seinen Arm. »Erzähl mir von deiner Mutter.«
    Er wandte den Blick ab. Ein Muskel zuckte an seiner Wange. »Da gibt es nicht viel zu erzählen. Sie hat uns verlassen, als ich zehn war. Du solltest dir etwas anziehen.«
    Wer lenkt hier wen ab?,
dachte sie belustigt und ein wenig verstimmt. »Warum?«
    Ein Glitzern tauchte in seinen Augen auf. »Unsittlichkeit in der Öffentlichkeit zieht im Staat Maine eine Höchststrafe von sechs Monaten oder fünfhundert Dollar nach sich. Du willst doch nicht, dass ich dich verhafte.«
    Sie warf den Kopf zurück. »Du könntest genauso verhaftet werden. Du hast mich den ganzen Vormittag im Haus eingesperrt.«
    »Ich habe dich bei meiner Schwester gelassen. Die sich übrigens Sorgen um dich gemacht hat. Warum zum Teufel hast du ihr nicht gesagt, wohin du gehst?«
    »Sie war nicht da.«
    »Du hättest eine Nachricht hinterlassen können.«
    Daran hatte sie nicht gedacht. »Ich bin es nicht gewohnt, Rechenschaft über mein Kommen und Gehen abzulegen.«
    »Dann solltest du dich besser daran gewöhnen.«
    Verwundert suchte sie seinen Blick. Das Glitzern war intensiver geworden. Heißer. Privater.
    Sie hielt den Atem an.
Okay.
    Sie ging langsam an ihm

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