Wellentraum
vorbei, wissend, dass er ihr mit den Augen folgte. Welche Kräfte sie auch verloren haben mochte, sie konnte noch immer den Blick eines Mannes erzwingen. Sie bückte sich, um ihm noch etwas zu sehen zu geben, und hob das Kleid auf, das zerknittert im Sand lag.
Hinter ihr räusperte sich Caleb. »Was hast du hier gemacht?«
Einen verrückten Moment lang dachte sie tatsächlich daran, es ihm zu erzählen. Aber er war halb Mensch, der sich offenbar seines Selkie-Erbes nicht bewusst war. Menschen konnten mit nichts Sonderbarem in Berührung kommen, ohne zu versuchen, es zu ergründen. Es zu beherrschen. Es zu kontrollieren.
»Ich war schwimmen«, antwortete sie.
»Nackt?« Sein Tonfall ließ das Wort nicht nur nach einer Frage klingen.
»Deiner Schwester würde es nicht gefallen, wenn ihr Kleid nass wird.«
»Deine Naht sollte auch nicht nass werden.«
»Meerwasser heilt.« Sie streifte das Kleid über den Kopf, zerrte und zog den Stoff über ihre feuchte Haut, bevor sie sich zu ihm umdrehte. »Was hältst du von dem Kleid?«
»Es sitzt ein bisschen stramm.«
Sie funkelte ihn an.
Die Lachfältchen um seine Augen zeigten sich. »Du hättest nicht allein hierherkommen sollen.«
»Ich hatte es satt zu warten.«
»Was noch nicht erklärt, warum du gestern am Strand warst.«
Gefährliche Wasser,
dachte sie. »Ich habe es dir gestern schon gesagt. Ich habe dich gesucht.«
Sein Blick wurde scharf. »Dann erinnerst du dich also an etwas.«
Sie legte ihren Finger an seine Wange und streichelte seine Haut bis zu seiner Kehle hinunter. »Dich könnte ich wohl kaum vergessen.«
Er packte ihre Hand mit hartem Griff und hielt sie an seiner Brust fest. »Keine Spielchen, Maggie. Woran erinnerst du dich noch?«
So ernst.
Und so aufrichtig in seiner Besorgnis, in seinem Wunsch, ihr zu helfen. Diese Aufrichtigkeit bewegte sie mehr, als es Drohungen vermocht hätten.
»Was willst du wissen?«
»Warum fangen wir nicht mit deinem Namen an?«
Das war leicht. »Margred.«
»Nachname.«
Sie schüttelte den Kopf.
Sein Mund wurde schmal. »Adresse?«
Sie starrte ihn leer an.
»Du musst doch von irgendwoher kommen. Du bist in Schottland geboren, hast du gesagt.«
Sie freute sich albernerweise, dass er das noch wusste. »Das stimmt.«
»Hast du dort Freunde? Familie?«
»Keine Familie.«
»Wird dich jemand suchen kommen?«
Sie dachte an Conn. »Ich … Das ist möglich.«
»Wer?« Das Wort splitterte wie eine Eisscholle.
Sie zuckte zurück. »Ich erinnere mich nicht.«
Caleb holte rasch und frustriert Luft und stieß sie dann seufzend wieder aus. »Hör zu, Maggie, ich kann dich beschützen. Ich will dich beschützen. Aber du musst mir vertrauen.«
»Das tue ich ja«, protestierte sie.
Bis zu einem gewissen Grad.
Sie presste die Finger an ihren schmerzenden Kopf. In Wahrheit war der Angriff gestern Abend aus dem Dunkeln gekommen, in einem Aufflammen von Hunger und Schmerz und zu rasch, als dass sie sich dagegen wehren oder den Täter hätte identifizieren können. Aber sie hatte sich diesen dämonischen Handstreich nicht eingebildet. Zu erwarten, dass ihr ein Sterblicher gegen einen Elementargeist zur Seite stehen könnte, war glatter Wahnsinn.
Caleb konnte sie nicht beschützen.
Und ihr widerstrebte es seltsamerweise, ihn als Menschenopfer in einem Krieg zwischen Feuer und Wasser fallen zu sehen.
Er nahm auch ihre andere Hand und hielt sie an seiner Brust fest. »Dann lass uns eine Abmachung treffen. Von jetzt an bedränge ich dich nicht mehr mit Fragen. Und du hörst mit den Spielchen auf und sagst mir, wenn du dich wirklich nicht an etwas erinnern kannst oder wenn du mir etwas einfach nicht erzählen willst.«
Sein Angebot kam so unerwartet, dass sie ihn nur anstarren konnte, während sie fieberhaft überlegte. Es konnte Tage dauern, bis die Delphine ihre Botschaft Conn überbrachten, und Tage, bis der Prinz antwortete. Bis dahin war sie auf sich allein gestellt.
Oder nicht ganz auf sich allein. Sie konnte den Schlag von Calebs Herz an ihren Fingerspitzen spüren.
Sie hob das Kinn. »Wir könnten es versuchen.«
Calebs Lippen wölbten sich. Er beugte sich hinab, um ihren Mund mit seinem zu streifen, mit angedeutetem Druck, einem Flüstern von Hitze, vielversprechend, aufreizend. Ihre Zehen krallten sich erwartungsvoll in den feuchten Sand.
Und dann … nichts.
Sie öffnete die Augen. »Was war das?«
Er lächelte noch immer zu ihr herab, mit schweren Lidern, befriedigt und erotisch. »Ein Kuss. Um
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