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Wellentraum

Wellentraum

Titel: Wellentraum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Virginia Kantra
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den Betten zu Hause lag. Die Möbel hätten in einem Motel stehen können. Nur die Kingsize-Matratze und eine kunstvoll geschnitzte Seemannskiste am Fuß des Bettes verrieten, dass Dylan erwachsen geworden war.
    Dass er sich verändert hatte.
    Ein kleiner Rahmen auf der ramponierten Kommode sprang Caleb ins Auge. Er trat näher und beugte sich hinunter, um einen Blick darauf zu werfen.
    Überraschung schnürte ihm die Kehle zu. Er erkannte das Bild. Zum Henker, er selbst war auf dem Bild zu sehen, als Zehnjähriger, mit Lucy auf dem Schoß. Und neben ihnen blickte der dreizehnjährige Dylan finster in die Kamera.
    Eine Erinnerung drückte wie ein alter Bluterguss auf Calebs Herz: die Erinnerung an ihre Mutter, die sie aufgeregt lachend zu dem Schnappschuss aufgestellt und Dylan zu lächeln befohlen hatte. Hatte sie damals gewusst, dass sie gehen würde? Hatte sie das Foto behalten, damit es sie an die Kinder erinnerte, die sie zurückgelassen hatte? Hatte sein Bruder es aus demselben Grund aufgehoben?
    Oder war das Bild einfach wie die Bettdecke und der Schimmel in der Küche – etwas, womit Dylan so lange gelebt hatte, dass er es schon gar nicht mehr sah?
    Dabei scherten Caleb die Beweggründe seines Bruders doch einen feuchten Dreck.
    Er schob den Vorhang am Schrank zurück, um dahinter die überraschend modische Garderobe eines Mannes zu entdecken. Er wühlte sich systematisch durch die Schreibtischschubladen, bevor er seine Aufmerksamkeit der Seemannskiste zuwandte, die am Fuß des Bettes stand.
    Sein Blick übersprang sie immer wieder. Schweifte ab. Caleb runzelte die Stirn. Das konnte keine Aura sein. Er sah das verdammte Ding klar und deutlich. Aber es widerstrebte ihm seltsamerweise, sich ihm zu nähern. Es zu berühren.
    Seinen mentalen Widerwillen und das Kribbeln in seinen Fingerspitzen ignorierend, sank er auf die Knie und hob den Deckel an.
    Sein Atem entwich mit einem stummen Pfeifen.
Treffer.
    Es war, als hätte er einen Piratenschatz am Strand, das Lösegeld eines Kreuzritters, den Goldtopf am Ende des Regenbogens gefunden. Er starrte auf den Haufen schimmernder Münzen, auf denen die Bilder von Göttinnen und Königen, Indios und Adlern eingeprägt waren. Goldstücke schimmerten hervor unter schwerem, gesprenkeltem …
    Pelz.
    Seehundfell.
    Sein Herz hämmerte. Gwyneths Fell? Oder das von Dylan?
    Maggie würde es wissen.
    Er musste es ihr erzählen.
    Er hatte gesehen, was der Dämon mit ihrer Freundin gemacht hatte. Maggie hatte beklagt, dass Caleb nicht wisse, womit sie es zu tun hätten. Aber er erkannte, wenn etwas böse war. Er war Polizist. Soldat. Er hatte tote Babys und missbrauchte Frauen gesehen, hingerichtete Ladeninhaber, in die Luft gesprengte Schulkinder. Er wusste, was Menschen einander aus Hass oder Gier, für hochtrabende, hohle politische Phrasen oder im Namen einer Religion antun konnten.
    Er hatte unzureichend bewaffnet gegen Feinde gekämpft, die nicht besiegt werden konnten, gegen Armut und Verbrechen und Hoffnungslosigkeit, gegen Fanatiker und Aufständische.
    Jetzt würde er kämpfen, weil er es musste. Weil niemand anders da war und Maggie das nicht allein durchstehen konnte.
    Aber wenn sie verloren, wenn die Situation eskalierte, wollte er, dass Maggie in Sicherheit war. Das Fell würde ihr wenigstens eine Chance geben, zu fliehen und in die See zurückzukehren, die sie so liebte.
    Und wenn sie gewannen …
    Caleb klappte den Deckel der Kiste wieder zu. Ärgerlich registrierte er, dass seine Hände zitterten. Er würde einfach nicht darüber nachdenken, was Maggie tun würde, wenn sie gewannen.
     
    Maggie stürmte auf dem schlüpfrigen, überwucherten Pfad durch den Wald, als wären ihr Höllenhunde auf den Fersen.
    Oder ein Dämon.
    Beeil dich, beeil dich.
Ihre Füße trommelten und schlitterten auf dem Teppich aus Kiefernnadeln dahin. Ihr Atem ging keuchend. Hinein. Hinaus. Ihr Herzschlag hämmerte in ihren Ohren.
    Aus tiefem Schatten stürzte sie ins helle Sonnenlicht hinaus. Geblendet stolperte sie vorwärts und stieß gegen etwas – jemanden –, der warm war. Fest. Männlich.
    Fast hätte sie aufgeschrien.
    Kräftige Hände packten sie an den Schultern. »Margred?«
    Sie blinzelte Dylan an, der frisch aus dem Wasser gekommen zu sein schien. Seine Haut schimmerte honiggleich im goldenen Nachmittagslicht, sein Fell hing wie ein Handtuch um seine schmale Taille. »Was machst du hier?«, fragte er.
    Sie rang nach Luft. Nach einer Erklärung.
Beeil dich.
»Ich …

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