Wellentraum
vollbusig, unerschrocken und hinreißend. Die Verkörperung der Phantasien jedes Fischers, jedes Traums von zu Hause.
Calebs Brust wurde eng. Würde sie bleiben? Oder würde sie gehen und seine Träume und sein Herz mit sich nehmen?
Er räusperte sich. »Da ist Whittakers Haus.«
Sie wandte den Kopf und betrachtete den Komplex aus Glas und Schindeln, der über der Landspitze kauerte. Dann wandte sie sich mit einem Lächeln wieder Caleb zu. In ihren Augen flackerte eine Erinnerung auf. »Ich erkenne die Klippe wieder.«
O ja. Die Klippe.
Wo Caleb sie beim Schwimmen mit den Delphinen angetroffen hatte.
Wo er sie an die Felsen gedrückt, ihr die Zunge in den Mund gesteckt und die Hände unter den Rock geschoben hatte.
Er leckte sich das Salz von den Lippen. »Ich bin heute dort gewesen. Bei seinem Haus.«
Er sah gleichermaßen erfreut und bedauernd zu, wie sich der Ausdruck in ihren Augen veränderte. Wie er schärfer wurde. »Warum?«
»Von seinem Haus hat man einen guten Blick auf den Strandabschnitt, an dem du überfallen wurdest«, erklärte Caleb gleichmütig. »Er war an diesem Abend nicht auf der Schulfeier. Und für letzte Nacht hat er auch kein Alibi.«
Sie funkelte ihn finster an. »Und da bist du zu seinem Haus gefahren? Allein?«
»Ich bin nicht mal durch die Haustür gekommen. Er behauptete, er fühle sich nicht gut genug für Gesellschaft. Oder Fragen.«
Ihr Stirnrunzeln wurde nachdenklich. »Wenn ein Dämon in ihn gefahren ist … isst er vielleicht nicht viel. Oder schläft nicht genug. Die Kinder des Feuers nehmen selten Rücksicht auf ihre Wirte.«
»Das würde erklären, warum er so beschissen aussieht«, sagte Caleb grimmig. »Leider reicht das nicht aus, um einen Richter davon zu überzeugen, dass Whittaker ein Mörder sein könnte.«
»Aber es hat dich überzeugt.«
Caleb zögerte. »Nicht … ganz. Nicht per se. In diesem Job muss man lernen, seinen Instinkten zu vertrauen. Ich war vor seinem Haus, und es gab keine Blutflecken auf dem Vorleger, kein verfluchter Gegenstand, der nicht an seinem Platz war. Zum Henker, ich kann noch immer den Kiefernnadelduft des Reinigungsmittels auf der Veranda riechen.« Bei der Erinnerung daran schüttelte Caleb den Kopf. »Dieser Bursche lächelt mich an, schlägt mir die Tür vor der Nase zu, und dabei sehe ich sein Aquarium. Er hat eines von den ganz großen. Teuer, wie man sie aus Zahnarztpraxen kennt, mit Licht und Luftblasen und ausgefallenen Pflanzen. Na ja.« Caleb schluckte. »Es war leer.«
»Es war also kein Wasser drin.«
»Jede Menge Wasser«, erwiderte Caleb grimmig. »Der Filter lief. Die Lichter waren an. Aber die Fische …« Er hielt inne. Schwer zu sagen, hier draußen beim sanften Schaukeln der sonnenhellen See, was dieses Detail so gruselig, so auffällig machte. »Alle Fische waren weg. Ich könnte noch verstehen, wenn man einen oder zwei verliert. Ich kann selber keinen Goldfisch am Leben erhalten. Aber alle zu verlieren, auf einmal, einfach so … das ist …«
Verstörend.
Psychotisch.
»Unnatürlich«, beendete Caleb den Satz.
»Nicht für einen Dämon«, entgegnete Maggie.
Sie tauschten einen langen Blick. Er fühlte die Kälte bis ins Mark.
»Okay.« Er sog die Luft tief in seine Lungen, die zu eng dafür schienen. »In diesem Fall muss ich keinen Gedanken an einen Haftbefehl verschwenden.«
Verwirrung verdunkelte ihre Augen. »Das verstehe ich nicht.«
Vorher, als die Mission noch unklar und der Einsatz kein persönlicher war, hatte er gekämpft. Doch nun musste er keine Sekunde mehr überlegen.
»Wenn Whittaker das ist, für das du ihn hältst, wird dieser Fall nie vor Gericht gehen«, erklärte er ruhig. »Das geht nicht. Selbst wenn sich Whittaker überführen ließe, kann ich das Risiko nicht eingehen, einen Dämon auf die Leute im Gefängnis loszulassen.«
»Was wirst du dann tun?«
»Ihn eliminieren. Wenn ich kann.«
Er drosselte den Motor. Hier, fünf Kilometer draußen auf offener See, erstreckte sich das Meer blitzend, bewegt bis zum Horizont, und eine Woge wurde von der nächsten abgelöst. Das Boot dümpelte dahin, lullte seine Sinne ein. Aber etwas an diesem Streifen Wasser erregte seine Aufmerksamkeit. Ein Rauschen von Brandung, ein Hauch von Kiefernnadelduft …
Er beobachtete, wie eine Möwe vom Himmel fiel und verschwand … ins Nichts. Und er wusste Bescheid. Er spürte, wie der Fels vom Meeresgrund empordrängte und wie ein gebrochener Knochen durch die Oberfläche stieß, und sah
Weitere Kostenlose Bücher