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Wellentraum

Wellentraum

Titel: Wellentraum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Virginia Kantra
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vorsichtige Selbstversuche lernte sie, sich niemals mehr als dreißig Kilometer vom Meer zu entfernen. Sie ging in Machias aufs staatliche College, das einen Fußmarsch entfernt von der Bucht lag.
    Sie leckte sich über die Lippen. »Warum bist
du
zurückgekommen?«
    Caleb hob eine Augenbraue. »Ich habe hier einen Job.«
    »Ich auch.«
    »Wie wär’s mit einem Leben?«
    Sie streckte das Kinn vor. »Das ist mein Leben. Du bist ja auch hier.«
    »Ich bin dreiunddreißig«, sagte Caleb. Vernünftig wie immer. »Und du bist dreiundzwanzig. Du solltest mehr ausgehen.«
    Lucy sparte es sich, darauf zu verweisen, dass der Altersunterschied von zehn Jahren ihm nicht das Recht gab, ihr Vorschriften zu machen. Er meinte es gut mit ihr. Das hatte er immer getan.
    »Das solltest du auch.«
    Sein Gesichtsausdruck wurde verschlossen. »Das hat im Moment keine Priorität.«
    Sie sollte ihn nicht drängen. Offene Gespräche hatten in ihrer Familie nicht gerade Tradition. Lucy hatte nicht einmal Calebs Ex-Frau – auch bekannt als
das Miststück
 – vor der Hochzeit kennengelernt, und ebenso wenig kannte sie die pikanten Details ihrer Scheidung. Aber die Nase ins Privatleben ihres Bruders zu stecken erschien ihr sicherer, als ihr eigenes zu diskutieren.
    »Was ist mit der Frau, nach der du dich vor ein paar Wochen erkundigt hast? Margaret … wie hieß sie noch mal?«
    »Was ist mit ihr?«
    »Wirst du sie wiedersehen?«
    »Nein. Sie ist abgereist«, fügte er hinzu, bevor Lucy nach dem Grund fragen konnte.
    »Oh.«
Ups.
Deshalb redete man in ihrer Familie nicht. Zu viele peinliche Situationen. Sie suchte nach etwas Positivem, das sie sagen konnte. »Na, vielleicht kommt sie ja wieder. Auf Besuch oder so.«
    »Nein«, sagte Caleb wieder in diesem »Lass es gut sein, Lucy«-Ton. »Sie kommt nicht wieder.«
     
    Sie kam nicht wieder.
    Calebs Hände umklammerten das Lenkrad des Jeeps fester. Okay, gut. Er versuchte, sich hier ein Leben aufzubauen. Noch einer Frau nachzujagen, die nicht bei ihm bleiben wollte – selbst einer, die wie ein Engel aussah und traumhaft vögelte –, gehörte nicht zu seinem Plan.
    Was noch nicht erklärte, warum er um neun Uhr abends auf der alten nördlichen Straße zur Landspitze hinausfuhr.
    Maggies Stimme flüsterte in seinem Kopf.
»Ich gehe abends am Strand spazieren.«
    Nur nicht in den letzten drei Wochen.
    Sie war eine Touristin. Ein One-Night-Stand. Eine Verirrung. Ein Fehlgriff.
    Und er war ein Idiot, weil er sie wiederhaben wollte.
    Caleb starrte finster in die Dunkelheit hinter der Windschutzscheibe. Es war ja nicht so, dass er um diese Zeit Besseres zu tun hatte, dringendere Geschäfte, die seine Aufmerksamkeit beanspruchten.
    Dank des wärmeren Wetters hatten sich die Touristen wie Hautausschlag vermehrt. Grell gestreifte Strandtücher sprenkelten die Landungsstege und hingen an Wäscheleinen hinter den Ferienhäusern. Boote – und manchmal auch ihre Passagiere – klatschten aufs Wasser. Urlauber schlossen sich aus ihren Häusern und Autos aus, verloren ihre Hunde, die Orientierung oder die Geduld. In der vergangenen Woche hatte Caleb zwei Kajakzusammenstöße, einen Verkehrsunfall mit Blechschaden, einen Gelegenheitsdiebstahl im Inn und eine Handvoll Fälle von Trunkenheit beziehungsweise Ordnungswidrigkeiten abgearbeitet. Seine »Freizeit« hatte er darauf verwendet, den Leuten Respekt vor dem städtischen Tempolimit und dem Fahrverbot am Strand beizubringen.
    Whittaker war bei der letzten Stadtratsversammlung aufgestanden und hatte dafür plädiert, das Verbot auf Spaziergänge am Strand auszuweiten, was zu einigen Irritationen zwischen Naturfreunden und den Händlern geführt hatte, deren Existenz davon abhing, dass das Sommergeschäft sie durch das ganze Jahr brachte. Calebs Vorschlag, die Patrouillen zu verstärken und jedem, der beim Verschmutzen des Strandes erwischt wurde, eine Geldstrafe aufzubrummen, hatte wieder für etwas Ruhe gesorgt. Aber jede Stunde, die er darüber hinaus nicht am Schreibtisch saß, strapazierte sein Bein und brachte ihn in Rückstand mit dem Papierkram.
    Noch ein Grund, warum er heimfahren, Eis auf sein Knie legen und versuchen sollte, sich durch den Stapel an Fachzeitschriften zu wühlen.
    Er starrte in die Nacht hinaus, mit einem Schmerz in der Brust, der dem im Knie Konkurrenz machen konnte.
    Die unschuldige Frage seiner Schwester hatte an seiner Abwehr genagt:
»Was ist mit der Frau, nach der du dich vor ein paar Wochen erkundigt hast?

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