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Wellentraum

Wellentraum

Titel: Wellentraum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Virginia Kantra
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sich glücklicherweise zunehmend betäubt.
    Oder fast betäubt. Als Caleb die Beifahrertür öffnete, spürte sie ein wärmendes kleines Aufflackern von … Erleichterung? Wiedererkennen?
    Er runzelte die Stirn. »Geht’s dir gut?«
    Er wollte einfach freundlich sein, rief sie sich in Erinnerung. »Ich bin nur müde.«
    Seiner Fragen müde. Müde, gedrängt zu werden, sich an das zu erinnern, was sie vergessen zu haben vorgab. Was zu vergessen sie vorgezogen hätte.
    Den Gestank, den Dämonengestank, der weder von einem Menschen noch von einem Engel noch von einem Sidhe stammte.
    Den Hunger.
    Den Schmerz.
    Sie wollte vergessen. Aber die Trübung ihres Gedächtnisses, die sie als Gnade akzeptierte, betrachtete Caleb als eine Hürde. Er wollte die Wahrheit wissen.
    Doch sie wusste, dass er nicht damit umgehen konnte.
    Er räusperte sich. »Was das betrifft … wir haben da ein kleines Problem.«
    Ihr armes, mattes Herz schlug ihr bis zum Hals.
    Ein
kleines
Problem?
    Kleiner als das, aus der Dunkelheit heraus von einem Dämon angegriffen worden zu sein? Kleiner als das, ihre Identität und ihre Unsterblichkeit mit ihrem Fell hergegeben zu haben? Auf den Kopf geschlagen und zurückgelassen worden zu sein, um zu altern und zu sterben?
    »Was für ein Problem?«, fragte sie.
    »Sie haben kein freies Zimmer im Inn.«
    Sie starrte ihn verständnislos an.
    »Sie sind ausgebucht«, erklärte er. »Das hatte ich schon befürchtet. Sie haben nur neun Zimmer, und da die Saison gerade angefangen hat …«
    Sie gab sich alle Mühe zu begreifen, was er sagte. »Ich brauche ein Dach über dem Kopf. Wenigstens für die Nacht.«
    Ihre Höhlen … Aber ihre Höhlen waren in ihrer derzeitigen Verfassung nicht für sie erreichbar. In ihrer menschlichen Gestalt.
    »Kein Problem«, sagte Caleb. »Ich nehme dich mit nach Hause – ins Haus meines Vaters. Du kannst bei meiner Schwester für die Nacht unterkommen. Du solltest jetzt sowieso nicht allein sein.«
    »Ich werde nicht allein sein. Ich bleibe bei dir.«
    Sein Mund wurde schmal. »Das ist keine so gute Idee.«
    »Warum nicht?«
    »Ich habe nur ein Schlafzimmer.«
    Sie sah darin kein Problem. »Du hast ein Bett.«
    »Ich werde deine Zwangslage nicht ausnutzen. Ich kann ein paar Nächte auf der Couch schlafen, aber das ist keine Lösung. Keine auf Dauer.«
    »Ich kann jetzt nicht an Dauerlösungen denken«, fauchte Maggie.
    Schweigen.
    »Du wirst meine Schwester Lucy mögen«, sagte Caleb endlich. »Alle tun das. Und sie könnte dir ein paar Klamotten leihen.«
    Das überzeugte sie.
    Oder vielleicht war es auch seine unerschütterliche Freundlichkeit. Seine Entschlossenheit, das Richtige zu tun.
    Margred sah an sich herab auf die Kleidungsstücke, die ihr die Ärztin gegeben hatte: einen weiten, türkisfarbenen Kittel und eine Hose, die mit tanzenden rosa Bärchen übersät war. »Solange keine Bären darauf sind.«
    Calebs Gesicht entspannte sich. »Keine Bären«, versprach er und ließ den Motor wieder an.
     
    Lucy träumte, als das Telefon klingelte. Nicht wie sonst, dass sie ertrank oder von rotäugigen Monstern gejagt wurde. Sie träumte von ihrer Mutter, die sang. Und die Lieder ihrer Mutter flüsterten und hallten in ihrem Kopf wider wie die verebbende Flut.
    Lucy hatte keine Erinnerung an ihre Mutter. Sie hatte schon lange nicht mehr von ihr geträumt, obwohl dies, als sie klein war – sechs oder sieben – ihre Lieblingsträume gewesen waren, die sie während des Tages immer wieder hervorholte, um mit ihnen zu spielen. Es ging eigentlich immer um dasselbe. Eines Nachts würde das Telefon klingeln, oder es würde an der Tür klopfen, und wenn Lucy am nächsten Morgen aufwachte, würde ihre Mutter in der Küche Frühstück machen – Pfannkuchen mit Blaubeersirup wie Jennifer Logans Mom oder mit Walnüssen und Preiselbeeren belegte Muffins wie Mrs. Barone.
    Sie erzählte nie jemandem von ihren Träumen. Weder Caleb, der ihr stets eine Schale mit Müsli hinstellte und einen Zettel auf dem Tisch hinterließ, bevor er die Fähre zur Schule nahm. Noch ihrem Vater, der bereits Stunden zuvor aus dem Haus gegangen war, um seine Reusen einzuholen und seine Netze auszulegen. Bart Hunter hatte nie die Träume seiner Tochter hören wollen. Oder ein Wort über ihre Mutter.
    Als Lucy aufs College wechselte, hörten die Träume auf. Aber manchmal, nachts, wenn das Telefon klingelte, fühlte sie, wie ihr Herz einen Satz machte und seinen Schlag in einem kindischen, hoffnungsvollen

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