Wellentraum
ihre Zehen, als suchte sie nach Nadeleinstichen, und hielt inne.
Maggie zog den Fuß weg.
Donna ließ es zu und machte eine weitere Notiz in ihren Papieren. »Gute motorische Reaktionen. Jetzt möchte ich, dass Sie ans Ende des Tischs rutschen und sich hinlegen.«
Caleb zog den Unterleib ein, als wollte er instinktiv seine Genitalien schützen. Er wusste, was jetzt kam. Zum Henker, er hatte ja das Rape Kit aus seinem Kofferraum geholt.
Maggie wandte den Kopf nach ihm. »Warum?«
Er hätte lieber eine ganze Straße voller blinder Fenster vor sich gehabt als diesen dunklen, argwöhnischen Blick.
»Ich muss Sie jetzt vaginal untersuchen«, erklärte Donna.
»Um deine Verletzungen festzustellen«, fügte Caleb hinzu.
Als würde das die Gewalt wiedergutmachen, die ihrem Körper und ihrer Intimsphäre angetan worden war.
»Das soll mir helfen?«
Er wollte es glauben. Musste es glauben.
»Ja«, entgegnete er möglichst gleichmütig, »und es soll mir helfen, denjenigen zu schnappen, der dir das angetan hat.«
Maggie legte den Kopf auf die Seite, ohne die Augen von ihm zu lassen. »Du willst das hier?«
Nein, das wollte er nicht. Er wollte nicht, dass sie irgendjemand berührte. Niemand außer ihm.
Er ballte die Hände in den Taschen zu Fäusten. »Ja.«
Sie hob achselzuckend eine Schulter, bevor sie sich flach auf den Tisch legte. Bei der Bewegung zerknitterte die Papierauflage unter ihr.
Das Rape Kit – ein Set zur Sicherstellung von physischen Beweismitteln nach einer Vergewaltigung – lag offen auf der Arbeitsplatte, Fläschchen und Objektträger sorgfältig aufgereiht. Caleb war noch nie bei einer gynäkologischen Untersuchung zugegen gewesen. Seine Ex-Frau Sherilee hatte ihre Arzttermine ihm gegenüber nur erwähnt, um sich darüber zu beklagen.
»Männer haben’s leicht«,
hatte sie gesagt.
»Du hast ja keine Ahnung.«
Und sie hatte recht gehabt.
Er hatte in Portland Vergewaltigungsfälle bearbeitet und immer vor der Untersuchungskabine gewartet, um anschließend die sichergestellten Beweismittel in Empfang zu nehmen und die Opfer zu befragen. Nicht, dass er sich nicht für ihr Schicksal interessiert hätte. Das tat er. Aber er war nie gezwungen gewesen, diesem zweiten Übergriff auf ihren Körper und ihre Würde beizuwohnen und sich dabei vorzustellen, wie es sein musste, auf dem Rücken zu liegen, die Füße in metallenen Bügeln, und sich von einem fremden Menschen zwischen die Beine schauen zu lassen.
Mit wachsendem Unbehagen sah er zu, wie Donna tupfte und kämmte und abstrich. Maggie ließ die Prozedur in stoischem Schweigen und mit verschleiertem Blick über sich ergehen.
Vielleicht hätte er sie ins Krankenhaus auf dem Festland bringen sollen, dachte er, nun, da es zu spät war. Sie war stabil. Dort hätte es jemanden gegeben, eine speziell ausgebildete Krankenschwester, einen Opferanwalt, der sie getröstet, ihre Hand gehalten hätte. Der all das getan hätte, was er selbst nicht tun durfte.
Sie holte tief Luft und griff nach seinem Arm.
Erstaunt starrte er auf ihre Hand, auf ihre schmalen, blassen Finger mit den kurzen Nägeln, die wie Muscheln am Strand glänzten. Auf ihrem Handgelenk entdeckte er blaue und rote Flecken.
Sie hatte sich gegen ihn gewehrt, fiel Caleb ein. Im Sand hatte sie sich unter ihm gekrümmt und ihn gekratzt. Er hatte sie festhalten müssen.
Das schlechte Gewissen brannte wie Feuer unter seinem Brustbein.
Vorsichtig legte er seine viel größere Hand auf ihre kleine. Wie konnte sie es ertragen, dass er sie berührte? Aber sie zog ihre Hand nicht weg.
Mit dem Daumen strich er immer und immer wieder über die Hämatome.
»Okay.« Donna drehte sich vom Waschbecken zu ihr um. Sie hatte ein Spekulum in der Hand. »Ich möchte, dass Sie jetzt versuchen, locker zu lassen.«
Locker lassen?
Calebs Magen krampfte sich erneut zusammen.
Jesus.
Maggie warf einen Blick auf das schimmernde Metallinstrument und fuhr auf. »Nein.«
Teufel, nein,
pflichtete er ihr stumm bei.
Was ziemlich dumm war. Er dachte wie ein Mann – ein Mann, der sich etwas aus ihr machte – und nicht wie ein Polizist.
»Wäre es Ihnen lieber, wenn Chief Hunter aus dem Raum gehen würde?«, fragte die Ärztin.
»Es wäre mir lieber« – Maggies Tonfall war beißend – »wenn
ich
gehen würde.«
Dasselbe galt für Caleb. Leider waren sie noch nicht am Ende, selbst wenn sich Maggie gegen die vaginale Untersuchung wehrte.
Er wandte sich zu Donna. »Was brauchst du noch alles von
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