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Wellentraum

Wellentraum

Titel: Wellentraum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Virginia Kantra
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sie nicht ernst. Oder vielleicht doch. Eine Erinnerung regte sich in seinem Kopf und in seinem Herzen. Sie war beim Anblick der blauroten Narbe an seinem Bein nicht erschrocken.
    »Meistens sind Narben ein Zeichen dafür, dass man zur falschen Zeit am falschen Ort war«, sagte er. »Lass die Ärztin ihre Arbeit machen, und wenn du schön brav bist, klebt sie vielleicht ein Wonder-Woman-Pflaster auf deine Wunde.«
    Maggies Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen. »Wonder Woman.«
    Er lächelte. »Dir ist SpongeBob lieber, fein. Aber das ist mein letztes Angebot.«
    Donna schnaufte. »Wenn ihr beide mit den Doktorspielchen fertig seid, würde ich gern meine Arbeit beenden, und dann darf sie gehen.«
    »Gut. Danke«, erwiderte Caleb.
    Maggie zog den Papierkittel zu. »Und wohin soll ich gehen?«
     
    Er wachte auf dem Fußboden eines leeren Raums vor einem erloschenen Feuer auf.
    Aschegeruch trieb vom Kaminrost herüber und belegte seine Zunge. Schmerz pulste in seinen Schläfen und sandte zuckende Blitze in seinen Kopf. Sein Körper fühlte sich zerschlagen an, durchgeprügelt, als hätte er einen Kampf hinter sich, als ob seine inneren Organe, Lunge und Leber und Milz, vermöbelt worden wären, neu plaziert, zur Seite geschoben, damit sich etwas Fremdes breitmachen konnte.
    Wie der absolute Oberkater.
    Er hatte dagesessen, in die Flammen gestarrt und an fünfzehn Jahre altem Single Malt Laphroaig genippt. Der rauchig-süße Geschmack klang noch nach, versetzte seinen Magen in Aufruhr und brannte in seiner Kehle. Er konnte das leere Glas auf dem Teppich ein paar Schritte entfernt sehen.
    Er musste mehr getrunken haben, als er gedacht hatte.
    Er drückte sich mit den Armen ab und kam auf die Knie. Punkte tanzten schwarz und fröhlich vor seinen Augen. Sein Magen schlug einen Purzelbaum. Er schwankte auf allen vieren, ließ den Kopf hängen und atmete tief ein und aus. Ein. Und aus.
    Als er sich wieder im Griff hatte, kroch er zu dem Glas. Er durfte es nicht dort liegen, durfte es niemanden sehen lassen. Er griff mit zitternder Hand danach. Starrte verblüfft auf den dunklen Fleck auf seiner Manschette. Zu dunkel für Whiskey, zu tief für Ruß …
    Blut?
    Der Schock vertrieb den Nebel aus seinem Gehirn.
    Hatte er sich verletzt, als er hingefallen war? War das der Grund, warum seine Erinnerungen so verschwommen waren, warum sein Kopf hämmerte?
    Er taumelte auf die Füße, sein Herz raste vor Panik.
    Das grelle Badezimmerlicht ließ ihn torkeln. Er hielt sich an dem kühlen Porzellan des Waschbeckens fest und inspizierte sein Spiegelbild. Er sah … gut aus. Okay, nicht gut. Seine Augen waren gerötet und blutunterlaufen, sein Gesicht hatte die Farbe der Asche auf dem Kaminrost. Aber er war nicht verletzt. Das Blut – wenn es Blut war – war nicht seines.
    Er hielt seine zitternde Hand unter den Hahn. Wasser durchtränkte seine Manschette und rann rot ins Waschbecken. Der Fleck breitete sich aus. Rosa auf Weiß.
    O Gott.
    Was war passiert? Warum konnte er sich nicht erinnern?
    Seine Kehle war trocken. Er stürzte zwei Schmerztabletten mit einem Glas Wasser hinunter. Zwei Glas Wasser. Trotz des Rumorens in seinem Bauch hatte er einen fast unerträglichen Durst. Dehydriert. Er spritzte sich mit bebenden Händen Wasser ins Gesicht. Es tropfte von seinem Hemd, während er sein Spiegelbild anstarrte. Seine Augen …
    Etwas lauerte am Rande seines Gesichtsfeldes oder in seinen Augenwinkeln. Wie Flammen, die ein Loch in ein Stück Papier brannten. Wie ein Gesicht, das im Fenster eines verlassenen Hauses auftauchte.
    Die Härchen auf seinen Armen stellten sich auf.
    Er fluchte. Es ging ihm
gut.
    Er betätigte den Lichtschalter, und das Badezimmer versank wieder in Dunkelheit.
    Dann riss er sich die Kleider vom Leib und taumelte ins Bett.
     
    Margred lehnte den Kopf an die Rückenlehne ihres Sitzes und schloss die Augen. Caleb hatte sie im Jeep vor dem Inn sitzen lassen und sie angewiesen, auf ihn zu warten. Sie konnte ihm genauso gut auch gehorchen. Sie glaubte nicht, dass sie sich bewegen konnte, auch wenn sie es versuchte.
    Es war nicht so, dass es sie nicht mehr kümmerte, was mit ihr geschah. Es kümmerte sie sogar sehr. Aber wie ein Seevogel, der sich in einem Fischernetz verfangen hat, sah sie keinen Weg, wie sie auf das, was nun folgte, Einfluss nehmen konnte. Alle Bemühungen strengten sie an. Ausgelaugt durch Erschöpfung und Schock, erreichte sie die Grenzen ihrer kläglichen menschlichen Kraft und fühlte

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