Wellentraum
interessiert dich also nur, wen er vögelt?«
Dylans kantiges Gesicht wurde rot.
»Wusstest du, dass er verwundet wurde?«, fragte sie.
»Caleb? Wann? Wie?«
»Er war als Soldat in der Wüste. Er hat noch immer Narben.«
Und Alpträume. Aber das würde sie Dylan nicht verraten. Vielleicht hatte sie schon zu viel preisgegeben.
»Bleibst du deshalb bei ihm? Weil er dir leidtut?«
»Nein!« Was auch immer sie für Caleb empfand, es war kein Mitleid. Und es ging seinen Bruder auch nichts an. »Ich bleibe bei ihm, weil … weil ich nicht weg kann. Mein Fell wurde gestohlen. Zerstört. Hat Conn dir davon nicht erzählt?«
»Er sagte, den
muc mara
zufolge seist du angegriffen worden. Von Dämonen. Was Blödsinn ist.«
»Warum?«
Dylan blickte sie ebenso geduldig wie fassungslos an. Dabei sah er Caleb so ähnlich, dass sich Margreds Magen zusammenkrampfte. »Elementargeister machen keine Jagd auf andere Elementargeister«, belehrte er sie.
»Falsch. Die Dämonen bekriegen die Kinder der Luft seit der Erschaffung der Menschheit.«
»Dieser Krieg hat nichts mit uns zu tun.«
Margred hob die Augenbrauen. »Obwohl du halb Mensch bist?«
Dylan wurde steif. »Ich bin ein Selkie. Jedenfalls hat die Feuerbrut keinen Grund und keine Entschuldigung dafür, dich anzugreifen.«
»Mir war nicht klar, dass sie eine Entschuldigung brauchen.«
»Natürlich brauchen sie die. Margred, denk nach. Die Kinder der See waren immer neutral im Krieg der Hölle gegen die Menschen. Warum sollte ein Dämon dich ins Visier nehmen und riskieren, den Zorn des Königs auf sich zu ziehen?«
Sein Argument hatte einiges für sich. Doch sie erwiderte: »Als würde Llyr das überhaupt registrieren.«
»Dann Conn«, sagte Dylan. »Er würde einen Überfall auf einen aus seinem Volk nicht ignorieren.«
Sie funkelte ihn böse an. »Nein, er würde einfach dich schicken, und du würdest es für unmöglich erklären.«
»Zumindest für nicht sehr wahrscheinlich. Warum sollte das Feuervolk das Gleichgewicht der Mächte durcheinanderbringen?«
»Ich weiß es nicht. Ich bin keine Politikerin.« Frust wallte in ihr auf wie eine unterseeische Quelle. Sie hatte Caleb so viel von der Wahrheit gesagt, wie sie wagte, und er hatte ihr nicht geglaubt. Nun glaubte ihr auch Dylan nicht. »Ich will mein Fell zurück.«
Mitgefühl ließ die harten Linien seines Gesichts weich werden. »Margred …« Er streckte die Hand nach ihr aus.
Sie bleckte die Zähne.
Er ließ die Arme wieder sinken. »Sei vernünftig. Warum sollte dir ein Dämon das Fell wegnehmen?«
»Um mich zu vernichten.«
»Wozu?«
»Ich sage dir doch: Ich weiß es nicht.« Verzweiflung ließ ihre Stimme schrill klingen.
»Ist es nicht wahrscheinlicher, dass du von einem Menschen angegriffen wurdest? Einem Fischer«, schlug Dylan vor. Als würde er den Unterschied zwischen einem Menschen, der von der See lebte, und einem Dämon, der im Feuer wohnte, nicht kennen. »Oder einem Wilderer, der dein Fell wollte.«
»Und deshalb hat er gewartet, bis ich praktischerweise aus meiner Haut schlüpfte, bevor er sie ins Feuer warf? Welchen Sinn soll das ergeben?«
»Mehr Sinn, als zu denken, dass ein anderer Elementargeist vorhaben könnte, deine Existenz zu beenden.«
»Ich habe aber einen Dämon gerochen«, beharrte sie.
»Und wonach hat er gerochen?«
»Nach Feuer.«
Dylan grinste spöttisch. »Dein Fell brannte, und es roch verkokelt. Wie außergewöhnlich.«
Sie schlug ihn hart ins Gesicht. Sein Kopf flog zurück. Ihre Handfläche brannte.
Es war ihr egal. Ihr Herz stand in Flammen. »Mach dich ruhig lustig über mich, Dylan, aber auf eigene Gefahr. Ich sterbe jeden Tag ein bisschen mehr in meiner Falle hier, in diesem Körper. Wenn ich fort bin, bin ich für immer fort. Ohne mein Seehundfell bin ich keine Unsterbliche mehr.«
Der rote Abdruck ihrer Hand zeichnete sich allmählich auf Dylans Haut ab. Aus dem Rest seines Gesichts war alle Farbe gewichen. Alles Gefühl. »Und wenn du es wiederhättest, wärest du zufrieden genug, diese Anschuldigungen fallenzulassen?«
Wenn sie ihr Fell wiederhätte …
Hoffnung machte sich in ihr breit. Sie würde wieder frei sein. Frei, zu sich selbst zurückzukehren. Ins Meer. Frei, um …
Caleb zu verlassen.
Der Gedanke senkte sich schwer wie ein Stein auf ihre Brust. Sie konnte nicht mehr atmen.
Das war es, was sie wollte, rief sie sich ins Gedächtnis. Die süße, tiefe, dunkle See, die überschäumte vor Formen und Farben und Leben,
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